Eine aus Unterbeschäftigung entstandene Kurzgeschichte, die vor allem zum Nachdenken anregen soll. Viel Spaß
Die Blätter umwehten seine Beine, während er auf dem Platz stand. Böe um Böe trug der Meerwind neue Blätter zu ihm, die Bäume waren nur noch Gerippe ihrer einstigen, farbenfrohen Pracht. Kalt war der Wind, kalt war der Reif, der die Bäume bedeckte, die Steine bedeckte, die Häuser und Fenster bedeckte. Alles war kalt, und so merkte er den Wind kaum, während dieser ihm in sein Gesicht biss, ihm die Haare durcheinanderbrachte und mit ihnen spielte. Sein Blick ging ins Leere, richtete sich auf das offene Meer, umstreifte die Blätter, den Platz, die Häuser. Er war an einem Ort, den kein Außenstehender hätte erahnen können, wäre er nicht allein gewesen. Nun senkte er den Kopf, sein Blick heftete sich auf seine Hände, während er sie drehte und fasziniert betrachtete. Ein leises Seufzen entwich seinen Lippen, mischte sich in den Wind und blieb ungehört. Seine rechte Hand wanderte in seine Jackentasche und suchte dort nach etwas. Sie kam erneut zum Vorschein und hielt nun ein ausgeblichenes Foto, das sich im Wind leicht bog. Mit beiden Händen hielt er dieses Foto nun, und seine Augen sogen sich daran fest, während ein kaum merkliches Lächeln seine Mundwinkel umspielte. Sein blondes Haar fiel ihm nun über seine Augen, so dass er es sich aus dem Gesicht schob. Schleichend näherte sich die Dunkelheit, als hinter dem horizont die Sonne zu versinken begann. Wie Blut verteilte sich ihr roter Schein auf Himmel und Wasser, ein letztes Aufbegehren gegen die nahende Nacht vor ihrem Verschwinden unter der Meeresoberfläche. Und so ließ er seine Augen erneut zum Horizont schweifen. Seine Augen tränten, er blinzelte, als der Wind erneut zunahm, ein leises Heulen erfüllte die Luft mit seinem Klang. Eine Träne floss seine Wange herab, wanderte zu seinem Kinn und tropfte schließlich auf den Boden. Ein Beobachter hätte sie für ein Resultat des peitschenden Windes gehalten. Jedoch floss nun auch auf seiner anderen Wange eine Träne herab und wurde vom Wind davongetragen. Eine weitere Träne. Noch eine. Sein Handrücken fuhr über sein Gesicht, um diese Zeichen seiner Schwäche fortzuwischen, wanderte dann erneut zu der Fotografie und strich zärtlich über das Bild. Wortlos schob er das Bild erneut in seine Tasche und drehte sich um, in Richtung der Stadt. Kalt wehte der Wind Blätter um seine Beine, als er zügig die Straße hinab schritt.
Faules_Kätzchen Buchautor
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Thema: Re: Wintereinbruch Mi Dez 22, 2010 9:48 pm
Ich find's voll schööön... Leider nur so kurz! Hätte gern noch mehr gelesen, ich mag deinen Schreibstil. Hast du noch weitere solche Kurzgeschichten?