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 KEN - Aus dem Alltag eines Taugenichts / Kurzgeschichte

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Toni M Nutter
Neuling
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Anzahl der Beiträge : 7
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KEN - Aus dem Alltag eines Taugenichts /  Kurzgeschichte Empty
BeitragThema: KEN - Aus dem Alltag eines Taugenichts / Kurzgeschichte   KEN - Aus dem Alltag eines Taugenichts /  Kurzgeschichte EmptySa Jul 20, 2013 3:29 pm

Kurzgeschichte aus dem Buch:

Ken - Aus dem Alltag eines Taugenichts

Er kam langsam zu sich. Mit beiden Händen ergriff
er intuitiv seinen Schädel und spürte auf Anhieb die
dicken Beulen. Sein kahl geschorener Kopf brummte
und ihm war übel. Behutsam setzte er sich auf und
schaute sich um. Er saß in einem Bett. Es war eines
dieser alten metallenen Etagenbetten. Drei weitere
Bettetagen befanden sich noch über ihm. In jedem
Geschoss lagen bis zu drei Männer zusammen. Die
Laken waren schmutzig und der ganze Raum stank
nach Urin und Fäkalien. Eine nackte Glühbirne
beleuchtete schwach den Raum aus. Einige wenige
hatten an einem alten Holztisch Platz genommen und
unterhielten sich flüsternd. Was ihm sonderlich
auffiel, waren die blau-weiß-gestreiften Pyjamas, die
hier wohl jeder trug, sogar er selbst. Wo war er? Oder
noch wichtiger erschien ihm die Frage: Wer war er?

"Hey, Bruder Isaak, bist du nun endlich wach?“

Der fremde Mann setzte sich neben ihm auf das Bett.
Der Fremde trug den gleichen blau-weißen Pyjama
wie alle hier und war deutlich unterernährt, sodass
seine Gesichtshaut förmlich an seinem Schädel klebte
und ihm ein äußerst widerwärtiges und unheimlich
skelettartiges Erscheinungsbild verlieh. Der Fremde
schien ihn zu kennen, und das war zumindest vorerst
ein positives Zeichen.

"Wer sind Sie?“, fragte er den Mann und schaute sich
im Raum um. „Wer sind diese Menschen? Wo bin
ich? Wer bin ich? Heiße ich Isaak?“

"Wer ich bin? Wer die sind? Wer du bist?“, sprach der
Fremde mit erschöpftem Blick. „Dein Name ist Isaak
und du wurdest erst vor Kurzem hergebracht.“ Er
lächelte traurig. „Die Soldaten haben dir wohl einen
zu viel verpasst. Erinnerst du dich nicht mehr an
mich?", er hielt etwas inne und fügte flüsternd hinzu,
"Oder an diesen Ort?“

Isaak versuchte sich zu erinnern aber es gelang ihm
nicht. Der Fremde blieb weiterhin fremd und auch
dieser abschreckende Ort sagte ihm nichts. Alles
stellte ein Rätsel dar. Er schaute sich genauer um.
Vielleicht, dachte er, war er tot und dieser Ort war die
Hölle. Konnte das überhaupt hier die Hölle sein?
Vieles sprach dafür: In einem Raum, vielleicht eine
Hütte oder eine Baracke, befanden sich Dutzende
Männer, eingepfercht wie Tiere. Man konnte jedes
Alter – von jung bis alt – hier antreffen. Die jüngsten
waren höchstwahrscheinlich elf oder zwölf Jahre alt.
Alle hier sahen ausgehungert und erschöpft aus. Aus
den Augen war der Lebensmut entschwunden und
schwarze Pupillen schauten geistlos hinaus in eine
erschreckende und ungerechte Welt. Alle trugen eine
Art blau-weiß gestreifte Sträflingsuniform und nicht
etwa Pyjamas, wie er es anfänglich angenommen
hatte. Es war ein böser Ort. Ein unheilvoller Ort.

"Du kannst von Glück sagen, dass du dich nicht
erinnerst“, sprach der Fremde. „Es ist besser den
Verstand zu verlieren als mit Verstand hier zu
vegetieren. Doch noch besser wäre es tot zu sein.“
Eine dicke Träne lief die eingesunkene Wange
herunter. „Arbeit macht hier nicht frei. Sie pferchen
uns ein wie Vieh und nach getaner Arbeit beseitigen
sie uns, als ob wir Parasiten wären. Und das
Schlimmste ist, dass fast jeden Tag neue Züge
ankommen, die mehr Menschen herbringen. Ob
Mann, Frau oder Kind, in deren Augen sind wir alle
gleich.“

"Was?“, Isaaks Augen wurden größer. „Wo sind wir
hier? Was ist das hier?“, fragte er jetzt voller Ungeduld
und der Verzweiflung nahe.

Der Fremde lächelte trocken und offenbarte dabei
einen fast zahnlosen Mund.

„Ich heiße hier 648263“, mit diesen Worten hob er
den rechten Ärmel seiner Sträflingsuniform hoch.
Diese Zahl war auf seinen Unterarm tätowiert. Jakob
riss seinen rechten Unterärmel ebenfalls hoch und
auch bei ihm waren Zahlen in die Haut eintätowiert.

„Wo wir hier sind?“, fragte der Fremde mehr zu sich
selbst als zu Isaak. „Wir sind in der Hölle. Jehova
bestraft uns für unsere Sünden. Wir, mein Freund,
sind in der Hölle. Wir sind in …“, er schwieg abrupt.
Sogar diesen Ortsnamen auszusprechen war etwas,
dass er nicht überwinden konnte. Er schwieg und
schaute starr auf den Boden hinab. War es denn so
wichtig, wie dieser Ort hieß? Tritt nicht das Böse
überall auf der Welt unter einem anderen Namen
auf? Auch hier war der Name, unter dem sich das
Böse offenbarte, nur ein Name, der nicht einmal
ansatzweise das Leid und die Trauer, die an diesem
Ort herrschten, beschreiben konnte.

"Wir haben das Jahr 1943“, brachte er schwer
atmend heraus, „und wir leben. Wir leben, wenn man
das überhaupt Leben nennen kann. Die Glücklichen
unter uns werden früher sterben. Du wirst
wahrscheinlich später sterben, da du noch jung und
kräftig bist. Du kannst noch arbeiten. Aber falls du
dich erneut stur stellst und dich der Arbeit oder den
direkten Befehlen verweigerst, dann werden sie das
nächste Mal mehr machen, als dich nur weich zu
prügeln. Mein geliebter Bruder diese Schläge hätte
nicht einmal ein Esel überlebt. Du gehörst zu den
Verdammten, die hier noch viel erdulden werden.
Wärst du doch nur gestorben und hättest das alles
hier hinter dir gelassen.

Isaak wollte noch weitere Fragen stellen, doch
bevor er etwas sagen konnte, ging die Barackentür
auf, und zwei Soldaten in brauner Uniform traten
herein. Den Raum erfüllte augenblicklich eine Stille.
Jeder schwieg. Wer war jetzt der Nächste?

Die beiden Soldaten durchsuchten den Raum. Wenn
ihre blauen Augen auf müde dunkelbraune Augen
trafen, so sanken die matten Blicke und versuchten
jeden Blickkontakt zu meiden. Jeder hier war dem
Tod geweiht, das wussten alle, doch eine tief
keimende Hoffnung im innersten Herzen ließ sie
durchhalten. Man sagt ja, dass die Zuversicht immer
zuletzt stirbt.

Die Soldaten, mit dem schwarzen Kreuz auf dem
roten Armband, fanden wonach sie suchten und gingen
im Gleichschritt auf ihn zu.

"Steh auf!“, befahl einer der Soldaten, „Du kommst
mit!“

"Wohin?“, wollte Isaak wissen, doch als Antwort
bekam er einen Tritt in den Magen. Die Luft blieb
ihm weg, und ein stechender Schmerz durchlief
seinen Körper. Isaak verspürte den starken Drang
sich zu übergeben, doch sein leerer Magen konnte
nichts herauspressen und so blieb nur die Übelkeit.
Beide Soldaten packten ihn an den Schultern und
schleiften ihn raus.

Es war dunkel draußen und die Umgebung nur ein
unklarer Umriss. Wohin führten sie ihn? Was sollte er
jetzt machen? Er zitterte und seine Mundhöhle wurde
dermaßen trocken, dass ihm seine Zunge wie ein
Fremdkörper vorkam, der ihn zu ersticken drohte.
Wurde er zur Exekution geführt? Sollte er sich jetzt
wehren? Er wusste es nicht. Die Angst lähmte ihn
und er konnte sich zu keinem Entschluss
durchringen. Er ließ sich ohne Gegenwehr durch die
Nacht schleifen, ohne zu wissen, ob er die nächsten
Minuten überleben würde.

Sie erreichten bald einen Bungalow. Die beiden
Soldaten öffneten die Holztür und schoben ihn
hinein. Wortlos schlossen sie wieder hinter ihm zu.

Isaak schaute sich verängstigt um. Er befand sich in
einem Untersuchungsraum. Ein Schreibtisch stand an
einer Ecke des Zimmers. Desinfizierbare, metallene
Oberflächen dominierten an den Schränken, die nach
den Aufklebern zu deuten wohl Kanülen, Spritzen
und Verbandsmaterial enthielten und auch ein
Röntgenbildbetrachter nahm seinen Platz an der
Zimmerwand ein. In der Raummitte dominierte der
Untersuchungstisch. Es war in der Tat keiner jener
Untersuchungsräume, wo man sich die Mühe mit der
Innenausstattung gemacht hatte, sodass sich der
Patient wohl fühlten konnte. Hier war alles auf
Funktionalität hin ausgerichtet. Es war kalt und
düster. Düster, obwohl zwei Leuchtstofflampen den
Raum erhellten. Kalt, obwohl die Heizungen liefen
und den Raum erwärmten. Ein Spiegel hing über dem
Waschbecken. Isaak schritt dorthin und trank aus
dem Wasserhahn. Als er sich aufrichtete, sah er sich
im Spiegel und war überrascht. Er war zwischen 18
und 22 Jahre alt und besaß kastanienfarbene Augen.
Obwohl die meisten Menschen in der Baracke
beinahe skelettiert waren, konnte man dies von Isaak
nicht behaupten. Er war groß gewachsen und kräftig
gebaut. Seine Oberkörpermuskulatur spannte die
dreckige Uniform, die er anhatte.

Er wendete sich von seinem Spiegelbild ab und ging
im Raum umher, als plötzlich die Tür aufging und
eine Frau hineintrat. Nach ihrem weißen Kittel zu
beurteilen war sie die Ärztin.

"Ich hoffe du wirst keine Dummheiten machen. Die
Soldaten stehen draußen vor der Tür und werden auf
meinen Befehl hin sofort den Raum stürmen. Also
setz dich hin und verhalte dich ruhig.“

Sie zeigte auf den metallenen Untersuchungstisch.
Isaak folgte stillschweigend ihrer Anweisung und
setzte sich auf die kalte Liege. Die Ärztin war
zwischen 30 und 35 Jahre jung. Sie hatte schulterlange
blonde Haare, die sie hochgebunden hatte. Eine
Lesebrille umrahmte ihr hübsches Gesicht.

"Hast du dich heute schon übergeben?“, fragte sie
ihn.

"Nein“, gab Isaak daraufhin zurück.

"Hast du irgendwelche Schwindelgefühle oder
andere Beschwerden?“, fragte sie nach und studierte
dabei Isaaks Akte.

"Ich kann mich an nichts erinnern“, erwiderte er. „Ich
weiß weder wer ich bin noch wo ich bin. Was mache
ich hier?“

Jetzt schaute die Ärztin auf. „Was?“, fing sie an „Du
kannst dich nicht erinnern? Amnesie? Das ist ja
interessant“, bemerkte sie und notierte es.

"Was mache ich hier? Was ist das für ein Ort?“, fragte
Isaak die Ärztin. Daraufhin nahm sie langsam die
Brille ab und sah ihn mit durchdringenden Blicken an.

"Du bist ein Parasit“, antwortete sie eiskalt, „und dies
ist der Ort an dem Wir solche Parasiten, wie dich und
deinesgleichen, entsorgen.“

"Ein Parasit?“, fragte Isaak mehr zu sich selbst als zu
der Ärztin.

"Ich beweise es dir. Steh auf und zieh deine Hose
runter“, befahl sie. Isaak zögerte. „Steh auf du Parasit
und zieh deine Hose herunter“, befahl sie mit mehr
Nachdruck, „oder soll ich die Soldaten rufen?“

Isaak stand auf ...

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