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 Manfredo's Tagebuch: 27. Kapitel

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Faules_Kätzchen
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Manfredo's Tagebuch: 27. Kapitel Empty
BeitragThema: Manfredo's Tagebuch: 27. Kapitel   Manfredo's Tagebuch: 27. Kapitel EmptyFr Mai 20, 2011 11:37 am

Neue Freunde und Feinde
Sonntag,
den 31. Juli
2009
Als ich heute morgen mal wieder zu Katys Belustigung über meine Haare fluchte, schlug sie vor, ich solle doch auch mal zum Frisör gehen. „Okay, okay, hast ja recht!“, schnaubte ich schließlich mit einem tödlichen Blick auf meinen Bürzel, der traurig herunterhing. „Sind wohl einfach zu lang. Ich geh dann gleich nach dem Frühstück, so kann ich unmöglich noch einen Tag lang rumlaufen.“
Ich verstaute meinen Kamm und folgte Katy, die schon die Treppe in die Küche hinuntergesprungen war. Die war echt ein Energiebündel! Also, nicht, dass ich das nicht sein konnte; aber doch nicht gleich nachdem ich aus dem Bett gekrochen kam!
Der Brötchenservice war schon da gewesen und wir setzten uns jeder mit einem Brötchen an den Tisch.
„Ich geh heute noch F.K. besuchen. Er hat mir gestern 'ne SMS geschickt, dass er endlich auch hier in Island aufgekreuzt ist.“, mampfte Katy, „Willst du mitkommen?“
„Klaro, natürlich!“, stimmte ich sofort zu und schlug vor, uns in einer Stunde hier zu treffen, um ihn besuchen zu gehen. Mit einem coolen Checker abzuhängen, konnte ja nie schaden. Ich musste nur auf dem Weg zum Frisör aufpassen, dass er mich nicht mit dieser furchtbaren Frisur sah. Das wäre ja wohl der Albtraum meines Lebens und nicht gerade die beste Idee, so einen harten Kerl wie ihn zu beeindrucken.

„Hallo, Süßer! Willkommen bei Shampudel!“, flötete ein aufgetakeltes Muttchen mit pinken Haaren im Friseursalon, kaum dass ich einen Fuß hineingesetzt hatte. Im ersten Moment war ich ziemlich geschockt beim Anblick des Salons: an den Wänden hingen riesige Schleifenborten, die Tapete war quietschrosa mit goldenen Sternchen und die Decke golden. Die Spiegel hatten einen rosa glitzernden Rahmen und auf einem glänzend silbernen Tisch surrte ein ebenfalls glänzend silberner Ventilator. Es sah aus wie in einem Barbie-Haus und ich fragte mich, wie es dazu kam, dass ausgerechnet Katy mir diesen Frisör empfohlen hatte. Speziell die Spiegel waren so grässlich, dass mir buchstäblich die Spucke wegblieb.
Die Frisörin schien meinen Gesichtsausdruck falsch zu deuten. „Oh, ja. Verstehe völlig! Alles klar, Süßer. Ich meine, Manfredo!“, zwitscherte sie weiter. Ich schaute sie verwirrt an, als sie meinen Namen nannte. Sie gurrte daraufhin wohlwollend: „Nein nein nein! Pssst! Nichts sagen! Ich weiß, was du denkst!“
Wusste sie das? Wohl kaum, sonst hätte sie mich höchstwahrscheinlich unangespitzt in den glitzernden PVC-Boden gerammt, denn ich konnte sie und ihren Salon vom ersten Augenblick an überhaupt nicht ausstehen. Fast wäre ich sofort wieder umgekehrt, hätte sich nicht in diesem Moment der Ventilator in meine Richtung gedreht und mir meinen traurigen Bürzel vor die Augen geweht. Das machte mir wieder die Dringlichkeit meines Frisörbesuchs klar. Ich schnipste ihn zur Seite und näherte mich mit quietschenden Schritten widerstrebend der Frisörin, die geschäftig in einem glänzend silbernen Schränkchen hantierte; was sein musste, musste eben sein. Und ich würde es schnell hinter mich bringen.
Ich räusperte mich, doch sie kam mir zuvor: „Ach mein Jungchen, du fragst dich sicherlich, wer ich überhaupt bin! Ich habe mich dir ja noch gar nicht vorgestellt, wie dumm von mir!“ Sie lachte schrill, es klang ähnlich wie eine Trillerpfeife und ich widerstand dem Impuls, die Ohren mit den Händen zu bedecken. „Ich bin Trude, Süßer, ich webe die Träumlein!“, fuhr sie fort. Es machte mich ganz wahnsinnig, wie sie den Kopf wie ein aufgescheuchtes Huhn im Sekundentakt zwischen mir und der Schublade hin und herdrehte, in welcher sie immernoch herumwühlte. „Eine gute Fee, sozusagen! Kennst du das Persönchen ganz tief in dir, das unbedingt hervorbrechen will? Das Ich voller Energie? Das vor Geist und Witz übersprühende Ich? Das Ich mit faszinierendem, einzigartigem Haar? Im Prinzip erschaffe ich den Stil, der dein Ich am besten zur Geltung bringt! Wenn über Trude geredet wird, Süßer, dann spricht man über mich! Erzähl mir mehr davon, wie du dir dein Spiegelbildlein vorstellst! Es ist mein Job, dieses kleine Träumchen für dich Wirklichkeit werden zu lassen.“ Sie richtete sich auf und ihr Haarturm schwankte bedenklich. „Also, was visualisierst du heute?“
Ich wusste weder, was es an meinem „Ich“ auszusetzen gab, noch, was visualisieren bedeutete. Und es war mir auch herzlich egal. Hauptsache, sie hörte endlich auf, zu quasseln und machte sich an die Arbeit. Also sagte ich einfach: „Mach mein Haar!“
„A-ha, m-hm, jawohl, überlass das nur mir, Süßer.“ Trude nickte eifrig. „Das wird ein Kinderspielchen! Wie wär's mit Waschen, Schneiden und Stylen für 3.000 Sternis?“
„O-okay...“, sagte ich etwas geschockt über den hohen Preis, blätterte ihr aber 3.000 Sternis in die Hände. Ihre Fingernägel hätten meiner Meinung nach dringend wieder geschnitten werden müssen und waren mit Strasssteinen besetzt.
„...Ja, so ist das gut. Dann sei lieb und setz dich auf das Stühlchen vor den Spiegelchen!“
So mit mir reden zu lassen, war wirklich die Erniedrigung meines Lebens. Doch ich kniff die Lippen fest zusammen und gehorchte ihr widerstrebend, damit ich mir nicht länger ihre unangenehme Stimme anhören musste als unbedingt nötig. Quietsch! Quietsch!, machten meine Chucks auf dem Glitzerboden. Dann machte es leise Knarrrrrz!, als ich mich in den Plastikstuhl plumpsen ließ. Trude schaute von der Kasse auf. „Oh! Nicht dort! Kommst du bitte hierher zum Trockenhäublein?“
Diesmal musste ich mir auf die Zunge beißen, damit mir keine provozierende Bemerkung entwischte, und quietschte hinüber zu einem zweiten Stuhl. Quietsch! Quietsch! Quietsch! … Knarrrrrz!
Trude trat neben mich. Eine Wolke aus Parfum umgab sie, von dessen Geruch ich Kopfschmerzen bekam. Mein „Spiegelbildlein“, welches in dem rosa Glitzerrahmen einfach absurd aussah, schaute ziemlich unglücklich aus der Wäsche. Trude dagegen strahlte wie ein Honigkuchenpferd. „In Ordnung! Zuerst darf ich dein Mützilein abnehmen...“ Sie zog mir die Schirmmütze vom Kopf, die ich aufgesetzt hatte, um meine Haare etwas zu verbergen. Sie waren viel zu lang, ich sah fast schon aus wie ein Straßenpenner, und der Bürzel schlabberte mir wie ein Emo-Pony vor dem Gesicht herum. Trude trällerte: „Okay, Süßer, um dein inneres Selbst betonen zu können, muss ich dir zunächst ein paar kleine Fragilein stellen. Hmmm. Nun, Süßer, wann soll dein Haar WIRKLICH zur Geltung kommen? Jeden Tag oder beim Ausgehen?“
Ich überlegte nicht lange. „Dann... beim Ausgehen.“, sagte ich kurzentschlossen.
„Ja, natürlich! Du willst bei großen Auftritten besonders glänzen! Du bist bestimmt das Schwärmchen bei jeder Party, nicht wahr?“
„Leider...“
„So läuft das! Heutzutage putzt man sich nicht mehr so heraus wie früher! Eine Schande ist das!“ (ähm, nein.... Da hatte sie aber wirklich etwas falsch verstanden.) „Nun, erzähl mir, wie du dich morgens zurechmachst!“, fuhr sie fort. Damit hatte ich nicht gerechnet. Was ging sie das denn bitte an?! „Nee, lieber nicht!“, wehrte ich schnell ab. Sie kicherte und keckerte wie ein Eichhörnchen. „...Ah, ja ja ja. Ich verstehe schon, Süßer. Du hast dein Plätzchen in der Welt gefunden, und es gefällt dir... Ich nenne das den zufriedenen Typ.“ (Nun, im Moment war ich alles andere als zufrieden! Konnte sie nicht wenigstens ihre Stimme ein paar Tonlagen runterschrauben? Und was laberte sie da von Plätzchen?) „Und nun, was die Farbe angeht... Welche Farbe passt zu deinem Plätzchen in der Welt? Etwas Warmes oder etwas Kaltes?“
Gute Frage. „Etwas... Kaltes!?“
„Ah, ja, aber sicher. Schau jetzt bitte tief in dich hinein...“ Ich verdrehte die Augen. „...Wie sieht denn das Haar deines Innersten aus? Strahlend? Saftig? Jugendlich? Oder... unbekümmert?“
„Äääähm...“ Eigentlich hatte ich vorgehabt, einfach eine Farbe zu sagen! Aber wenn's denn sein musste... „Jugendlich.“
„Jawohl, exakt! Genau das meine ich auch, Süßer!“ Wieder nickte sie aufgeregt und schlenkerte ihre Hochsteckfrisur so wild herum, dass sie sich vollends auflöste. „Also, dann werde ich mal ohne Umschweife deine Veränderung vollziehen...“ (Na, endlich! Wurde langsam auch wirklich Zeit!) „Es wird ein Momentchen dauern, also halte bitte kurz still.“ Mit diesen Worten entfleuchte sie. Ich beobachtete sie im Spiegel missmutig dabei, wie sie ihre Locken notdürftig wieder hochsteckte und dann die Trockenhaube auf meinen Kopf senkte. Na, das ging aber wirklich zu weit! Die war wohl mit ihren Gedanken völlig in ihrem „vor Geist und Witz übersprühenden Ich“ versunken – selbst mir war immerhin klar, dass die Trockenhaube erst nach dem Waschen kam! Außerdem wollte ich doch nur einen Haarschnitt! Weiter nichts! Mamma mia, war das denn so schwer?! Diesmal unterdrückte ich nicht den Protest, der mir auf der Zunge lag; bevor ich jedoch auch nur den Mund öffnen konnte, war mir die Trockenhaube über den ganzen Kopf gerutscht! Es wurde augenblicklich tierisch heiß darin und etwas darin schien sich sogar zu bewegen! Als würde das Ding meinen Kopf durchkneten wollen! Ich versuchte mit aller Kraft, sie wieder nach oben zu schieben, doch sie saß fest. Wieso nahm diese Trude sie nicht wieder weg?! Ich strampelte mich ganz schön ab, aber gerade, als ich dachte, meine Nase fackelt ab, gab die Trockenhaube plötzlich nach und ich flutschte heraus. Keuchend schleuderte ich gegen den Spiegel, wobei mein Riechkolben ein zweites Mal in Mitleidenschaft gezogen wurde. Beschämt, aber auch wütend, dass Trude mich nicht vorgewarnt hatte, zog ich mich wieder auf dem Stuhl nach hinten. Knarrrrz!
Trude jedoch strahlte mich aus dem Spiegel heraus an; ihr Knutschmund schien noch ein paar Zentimeter breiter geworden zu sein, falls das überhaupt möglich war. Dann entdeckte ich im Spiegel meine Frisur und schnappte erneut nach Luft: Das sah ja noch schlimmer aus als vorher!
„Und, was sagst du dazu?“, wollte Trude ganz begeistert wissen, während ich mich noch völlig entgeistert selbst anstarrte. „Ein völlig neues Ich, stimmts?!?“ (Allerdings!) „Wow! Du siehst super aus! Der neue Look bringt deine Äuglein mehr zur Geltung. Mit diesem Schnitt wirst du das Schwärmchen von ganz Island sein, Süßer! So, hier hast du dein Mützchen zurück!“ Sie setzte mir die Mütze wieder auf, wogegen ich absolut nichts hatte. Im Gegenteil, denn meine Haare sahen fürchterlich aus: okay, der Seitenscheitel war nicht schlecht, mit blauen Haaren konnte ich auch leben; aber dieser Emo-Pony, den man nun beim besten Willen nicht mehr als Bürzel bezeichnen konnte, stand mir einfach nicht. Außerdem war mir unerklärlich, wie er meine Augen zur Geltung bringen sollte, wenn er sie verdeckte!
„Wann immer du deinen Look auffrischen willst, bist du herzlich willkommen!“, zwitscherte mir Trude noch überglücklich hinterher, als ich fluchtartig den Salon verließ. Quietsch! Quietsch! Quietsch!

Ich war so aufgeschmissen, dass ich im ersten Moment ganz das Meeting mit Katy's Cousin vergessen hatte. Erst, als ich schon wieder unser Haus betreten hatte, fiel es mir ein – ich wollte gerade kehrt machen, als ich noch etwas bemerkte: ich war gerade Hals über Kopf in ein fremdes Haus gestürmt! Die Wände des Zimmers, welches ich versehentlich betreten hatte, bestanden aus Backsteinen und den Boden bildete ein – wie ich zugeben musste – ziemlich cooler Eisenbelag. In der gegenüberliegenden Zimmerecke stand ein großes Aquarium mit einem finster dreinschauenden Fisch darin, welches aus unerfindlichen Gründen Risse zu haben schien.
Und das war's dann auch schon.
Ganz schön langweilig. Wie es aussah, handelte es sich um das Haus von Richi, diesem Langweiler und Dauergriesgram.
Aber der schien ja im Moment zum Glück nicht hier zu sein. Wie dumm konnte er eigentlich sein, aus dem Haus zu gehen, ohne abzuschließen!
Aber viel zu stehlen gab es hier ja sowieso nicht...
Gerade wollte ich mich wieder davonstehlen, als hinter mir die Tür aufschwang und Richi's Körpermasse den Raum verdunkelte. Verdammt. Zur falschen Zeit am falschen Ort, sag ich nur. Er hatte mich natürlich sofort entdeckt und ihm stand die Überraschung ins plumpe Gesicht geschrieben. Bevor ich jedoch irgendetwas Entschuldigendes zusammenstottern konnte, brummte er: „Oh... Besuch? Tschuldige, hab ich wohl verpennt. Pffft.“
„Ähm, nein, eigentlich wollte ich...“, murmelte ich und deutete zaghaft in Richtung Tür. Richi schien mich entweder nicht zu hören oder zu ignorieren, denn er stampfte durch den Raum und sagte: „Setz dich doch, M.-Fatz.“
Wohin denn?, wollte ich gerade fragen, da ließ er sich zu meinem Entsetzen auf dem Aquarium nieder. Das Glas knackte bedenklich. Daher kamen also die ganzen Risse, war ja sehr interessant.
Er sah mich an und grunzte. „Komm schon, das hält. Oder haste etwa Angst, der olle Karpfen beißt dir in den Hintern? Pffft!“
Er gluckste über seinen eigenen Sparwitz. Der Karpfen schien noch grimmiger als zuvor nach oben auf Richi's Arsch zu blicken.
„Du, äh... eigentlich hab ich jetzt noch ne Verabredung, sorry...“, begann ich.
„Pfffft!“, machte er. Unschlüssig, wie ich das jetzt zu verstehen hatte, stand ich vor der Tür, eine Hand auf der Klinke. „Jaja, dann geh“, knurrte er, „versteh schon. Du magst mich also auch nicht. Schon verstanden.“
„Ey, Alter, so hab ich das doch nicht gemeint!“, antwortete ich. Doch er machte nur wieder „Pfffft“ und starrte beleidigt auf seine Füße. Na gut, wie er wollte. Ich musste ihm meine Gesellschaft auch wirklich nicht aufzwingen.
Ich schloss die Tür hinter mir und hörte aus dem Haus noch die gedämpften Geräusche des vollends zusammenbrechenden Aquariums, ignorierte sie aber, und joggte schnell wieder in Richtung unseres Hauses zurück. Irgendwo dort in der Nähe musste F.K. schließlich eingezogen sein.
Aha, da war es ja schon: ein ziemlich kleines Haus, so ähnlich wie unseres am Anfang, mit Schiefernplatten auf dem Dach und einer quietschenden Gartentür. In dem kleinen, verwilderten Garten saß F.K. rauchend und breitbeinig auf einem weißen, alten Gartenstuhl aus Plastik. „Willste zu mir?“, fragte er.
„Äh... ja... ich bin ein bisschen spät dran, sorry. Ich wollte mich hier mit dir und Katy treffen...“
„Aha! Yesse-yesse, ich erinnere mich an dich. Du bist doch dieser kleine Manfredo, richtig? Richtig! Aber wo ist deine Bürzelfrisur?“
„War gerade beim Frisör. Ist schrecklich geworden, glaub mir, Alter, die Frisur willst du nicht sehen. Übrigens bin ich gar nicht so klein. Du bist doch kaum größer als ich.“
„Ach ja?“ F.K. stand auf. Ich reichte ihm kaum bis zu den Schultern. F.K. lachte, warf seine Kippe auf den Boden und trat mit einem seiner Riesenfüße darauf. „Du bist mir ein lustiges Kerlchen.“
„Ich bin kein Kerlchen! Okay, ich bin nicht so groß wie du, na und? Dafür bin ich genauso stark wie du!“, rief ich entrüstet.
„Behauptest du.“ Das Lächeln war aus F.K.'s Gesicht gewichen. „Willste dich etwa mit mir anlegen? Sag schon, willst du's mit mir aufnehmen? He? He? Na was ist? Komm her!“
Das ließ ich mir nicht zweimal sagen. Sollte er doch große Töne spucken, ich wette, er wollte mich nur damit einschüchtern! Ich hatte mich für den Rest des Tages genug ärgern lassen. Zeit, dass ich zurück schlug!
Ich stürzte mich auf den Klugscheißer, doch bevor ich auch nur irgendetwas machen konnte, hing ich plötzlich kopfüber in der Luft. Vor mir schwebte verkehrt herum ein grinsendes Ei mit Sonnenbrille. „Lass mich sofort runter!“, brüllte ich zornig und schlug mit den Fäusten nach dem Glatzkopf, doch seine Arme waren so lang, dass ich ihn nicht erreichte.
„Ach, Manfredo, du musst wirklich noch viel lernen.“, meinte das Ei altklug.
„Ach ja? Ich kann dir ja mal zeigen, was ich kann! Komm her! Was willste?“
Ich strampelte mich noch eine Weile ab, während F.K. nur mehr oder minder interessiert zuschaute. Er hielt mich nur mit einer Hand und zündete sich mit der anderen lässig eine zweite Zigarette an. Mir floss das ganze Blut in den Kopf und meine Füße wurden taub. Irgendwann gab ich auf.
„Okay, okay, hast gewonnen.“
„Perfektomissimo! Ich dachte schon, das dauert noch ein paar Stunden.“
F.K. stellte mich wieder auf den Boden. Ich konnte kaum aufrecht stehen, weil meine Füße so kribbelten. F.K. lachte schon wieder.
„Was ist denn nun wieder los?“, fragte ich gereizt.
„Ach, Manfredo, nimm das jetzt nicht persönlich oder so, aber... du hattest recht, deine Frisur ist wirklich herzallerliebst.“
Ach du Schande. Meine Mütze war mir runtergefallen! Schnell hob ich sie auf und zog sie mir wieder über die missglückte Frisur. Ich funkelte F.K. herausfordernd an. „So besser?“
„Yesse, yesse; si, si; richtig! In der Tat!“
„Wieso sagst du eigentlich immer diesen Spruch?“
„Na, weil er cool ist! Die Mädels steh'n auf sowas! Du musst nur daran denken, Manfredo: Wenn ein Mädchen dabei ist, sag nie einfach nur yesse. Das kannst du so unter Kumpels machen. Aber wenn du Ladies beeindrucken willst, musst du ganz korrekt sein: Yesse, yesse; si, si; richtig. Nicht vergessen.“
„Äh... okay! Werd dran denken, F.K.“
„Na also, Manfredo. Und wenn du noch irgendwelche Fragen zu Mädels hast...“ Er pustete lässig eine Rauchfahne in die Luft, „du weißt ja, wo du mich findest.“
„Du meinst... du willst meinen Beziehungsberater spielen?“
„So kann man's sagen! Aber ich bevorzuge die Bezeichnung Kumpel.“
„Jetzt echt? Bist du jetzt mein Kumpel?"
„Yesse, yesse; si, si; richtig. Wenn du nichts dagegen hast. Ach ja, und wenn du Unterstützung beim Training brauchst – ich denke, da kann ich dir weiterhelfen.“, meinte F.K. und schaute dabei wie zufällig auf seine fetten Oberarmmuckis. Ich zögerte noch. Einen Trainer hatte ich bisher nicht gehabt und ich wusste nicht, ob ich wollte, dass F.K. mich bei meinen kläglichen Versuchen beobachtete. Aber andererseits konnte es nur von Vorteil sein, von einem Muskelprotz wie F.K. trainiert zu werden.
„Okay, ich bin dabei!“, stimmte ich zu. In dem Moment tauchte Katy auf.
„Hi, Katy!“, riefen F.K. und ich wie aus einem Munde.
„Hi, Jungs.“, begrüßte sie uns weniger gut gelaunt. „Habt ihr 'ne Ahnung, warum es in unserem Haus so stinkt?“
F.K. und ich schauten uns ahnungslos an. „Kein Plan“, sagte ich, „wonach riecht es denn?“
Katy verzog das Gesicht. „Ach, ich kann diesen Gestank nicht so gut identifizieren. Kommt doch mal mit, vielleicht wisst ihr ja, was es sein könnte.“

Mit mir und F.K. im Schlepptau stöckelte Katy auf ihren hochhackigen Stiefeln zu unserem Haus zurück. Entweder bildete ich es mir nur ein, oder die Luft wurde tatsächlich etwas muffiger, je mehr wir uns näherten.
„Okay, das könnte jetzt ein ziemlicher Schock sein, passt auf...“ Katy hielt sich die Nase zu und öffnete die Tür. Der Gestank, der mir entgegenschlug, war so betäubend, dass ich fast aus den Pantoffeln gekippt wäre, hätte ich welche angehabt.
„Das ist ja echt... umwerfend“, würgte ich hervor und hielt mir auch die Nase zu. F.K. verzog kaum das Gesicht, rümpfte nur kurz die eckige Nase und stapfte mit großen Schritten ins Haus. „Scheint von oben zu kommen“, meinte er fachmännisch und schnupperte in Richtung Treppe. „Yesse, yesse; si, si; richtig! Ja, ganz eindeutig.“ Er schnüffelte noch einmal etwas. „Riecht irgendwie nach... alten Socken... Schweiß... faulen Eiern... und noch irgendwas Undefinierbares. Soll ich hochgehen?“
„Ja. Nein, warte, ich komm mit!“, rief ich und stolperte durch den Gestank zu ihm. Was sollte er denn von mir denken, wenn ich mich noch nicht einmal traute, ein stinkendes Etwas ausfindig zu machen?
„Viel Glück!“, rief Katy's nasale Stimme uns hinterher.

Als F.K. und ich die Schlafzimmertür erreicht hatten, roch es inzwischen so erbärmlich, dass man den Gestank förmlich fühlen konnte. Auch F.K. war langsam etwas grünlich im Gesicht geworden, doch noch immer hielt er sich seinen kantigen Zinken nicht zu. Wahrscheinlich atmete er dennoch durch den Mund, sonst wäre er schon längst tot umgekippt wegen dem Geruch.
Er legte eine Pranke auf die Türklinke. „Bereit?“, fragte er. Ich nickte und er öffnete die Tür.
Auch mit der Hand auf der Nase merkte ich, dass es im Schlafzimmer roch, als hätte jemand eine Stinkbombe gezündet. Selbst der harte F.K. hielt sich die Nase zu.
Nach dem schlimmsten Schrecken schauten wir uns vorsichtig im Zimmer um. Im ersten Moment entdeckte ich nichts Verdächtiges – außer einem vierten Bett mit einem großen lila Stoffhaufen darauf, der eher wie ein Scheißhaufen roch. Da kam also der Gestank her. Doch was war darunter? Plötzlich bewegte sich der lila Scheißhaufen und zwischen den Stofffalten erschien ein so hässliches verschlafenes Gesicht, dass ich mir fast in die Hose machte, als ich das Lachen unterdrückte. „Hallo. Ich bin John. Wollen wir Freunde sein?“ Der Typ hatte eine ovale Gesichtsform, jedoch nicht in die Länge, sondern in die Breite; seine ungewaschenen braunen Haare waren mit einem gelben Schleifchen verziert und lagen wie draufgeklatscht auf der breiten Birne; aus dem dümmlich lächelnden Mund ragte auf der linken Seite ein Hasenzahn heraus und auf die Oberlippe hatte er sich einen sehr langen, sehr feinen und am Ende sehr gekringelten Schnurrbart geklebt.
„Äh, nee, lass mal stecken, Alter.“, kicherte ich, während F.K. kopfschüttelnd die Fenster aufriss.
„Oh, schaaade...“ John bohrte vollkommen ungeniert in der Nase. Verträumt schaute er mich unter seinen violett geschwollenen Augenlidern hervor an. Ich wandte den Blick ab und ging zu F.K. ans offene Fenster, um etwas frische Luft zu schnappen. Dieser schaute ernst wie immer drein, lachte sich hinter dieser Fassade aber sicherlich kaputt. „Bitte sag mir, dass der Kerl unter der Decke noch was anhat.“, bat er mich. „Vermutlich nicht“, antwortete ich, „deshalb stinkt es wahrscheinlich so.“
Wir grinsten in uns hinein.
„Ich bin John.“, hörte ich erneut hinter mir die verschlafene tiefe Stimme. „Und du?“
Ohne mich umzudrehen, antworte ich: „Du wiederholst dich. Und wieso sollte ich dir meinen Namen sagen? Wie heißt du überhaupt mit Nachnamen, du Freak?“
„Nachname?“ Völlig verplant blinzelte er mich an. „Hööö? Versteh ich nicht.“
Ich prustete los. Auch F.K.'s Nasenflügel bebten verdächtig. Das war ja vielleicht ein Viechchen!
„Hey, Jungs! Was is los, ich will mitlachen!“
Glucksend und hicksend vor Lachen schaute ich zu Katy hinab, die unter dem Fenster stand. „Du... wir... hier... er...“ Ich konnte gar nicht mehr normal reden.
Zum Glück war der nüchterne F.K. da, der mich unterstützte. In seinem üblichen coolen Tonfall schilderte er seiner Cousine in Kurzform, was der Grund für meinen Lachflash war: „Nichts besonderes. Nur, dass wir endlich die Quelle des Gestanks ausfindig gemacht haben und diese weder besonders intelligent noch hübsch anzuschauen ist.“ Dieser sachliche Bericht brachte mich noch mehr zum Lachen. „Ich... hab... Bauch... schmerzen!“, japste ich.


Zuletzt von Faules_Kätzchen am Sa Mai 21, 2011 11:05 am bearbeitet; insgesamt 1-mal bearbeitet (Grund : Vervollständigung)
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BeitragThema: Re: Manfredo's Tagebuch: 27. Kapitel   Manfredo's Tagebuch: 27. Kapitel EmptySa Mai 21, 2011 10:47 am

Du hättest den sachlichen Bericht vielleicht noch schreiben können (zB "Hier sitzt ein Junge namens Jonny, den wir als Ursache des Gestanks vermuten" oder sowas), ansonsten mal wieder sehr schöön
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Faules_Kätzchen
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Faules_Kätzchen


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BeitragThema: Re: Manfredo's Tagebuch: 27. Kapitel   Manfredo's Tagebuch: 27. Kapitel EmptySa Mai 21, 2011 11:00 am

ok danke Smile
ich werd sehen, was sich machen lässt. Wink
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