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 Manfredo's Tagebuch: 35. Kapitel

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Faules_Kätzchen
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BeitragThema: Manfredo's Tagebuch: 35. Kapitel   Manfredo's Tagebuch: 35. Kapitel EmptyMi Okt 05, 2011 7:56 pm

Endlich komme ich mal wieder dazu, hier was reinzustellen! Very Happy hatte schon voll das schlechte Gewissen... Obwohl außer BlackWhite vermutlich niemand den Kram liest. xD Egal, dann mach ich's halt nur für dich. Wink (und für mich selbst, weil ich ja konstruktive Kritik brauche Smile )
P.S.: Manfredo und Katy sind hart im Nehmen... nicht! Razz

Die Allwissenden
Dienstag,
den 7. September
2009
Ich sprach gestern die Themen Baumgeister und Mädchen nicht nochmal an, denn ich hatte auch so schon mehr als genug, was mir dazu durch den Kopf ging.
Selbst die Flamencoshow, die ich mir mit Katy noch abends reinzog, lenkte mich nur für einige Stunden ab; als schließlich auch wir beide im Bett lagen, kam Alles wieder in mir hoch. Kein Wunder also, dass ich schlecht schlief und zweimal mitten in der Nacht aufwachte, einmal um halb fünf, einmal um halb fünf und nochmal um halb fünf; aber verschlafen und mathematisch unbegabt, wie ich nunmal war, fiel mir nicht sofort auf, dass etwas nicht stimmte. Erst, als ich ein viertes Mal um halb fünf aufwachte und mich fragte, warum die Sonne denn schon so hell hereinschien, wurde mir klar, dass meine Uhr stehen geblieben war.
Die Gedanken begannen wieder, in meinem Kopf zu kreisen; beziehungsweise, sie kreisten immer noch. Tatsächlich fühlte ich mich so matschig und ausgelaugt, als hätte ich die ganze Nacht lang gegrübelt, anstatt zu schlafen. Trotz der Müdigkeit kam der Strom der unbeantworteten Fragen schnell wieder in Schwung und machte mich ganz kribbelig, sodass ich mich schließlich aus dem Bett schwang und begann, mich anzuziehen.
Mein Blick fiel auf das kleine Tischchen in unserem Zimmer, auf dem ein Brief lag. Ich wusste schon, was darin stand, F.K. hatte ihn gestern an der Rezeption bekommen und uns gleich vorgelesen. In dem Briefumschlag waren vier Gutscheine für eine Fahrt nach Porto Colom in einem Boot mit Glasboden, wo wir dann die Leute treffen würden, bei deren Preisausschreiben F.K. die Reise gewonnen hatte. Hoffentlich laberten die uns dann nicht die ganze Zeit zu! Aber solange sie uns auf ein Eis einluden, hatte ich nichts dagegen...
Auf einmal ging die Tür der Wohnung auf und F.K. stapfte herein. „Morgen, Manfredo! Auch endlich wach? Weck mal lieber Katy auf, wir müssen gleich los!“
„Jetzt schon? Es ist doch erst...“ Ich schaute auf die Uhr. „Halb fünf! Äh, nein, natürlich nicht... meine Uhr ist stehen geblieben.“, erklärte ich dem verdutzten F.K. „Ist Tony denn schon wach?“
„Yesse, yesse; si, si; richtig!“, sagte F.K., „Sie war mit mir schwimmen. Allerdings hat sie sich gerade festgequatscht, weil sie da irgendeine alte Schulfreundin getroffen hat.“ Trotz seiner Sonnenbrille glaubte ich zu erkennen, dass er mit den Augen rollte. „Sie hat mir aber versprochen, rechtzeitig wieder hier zu sein.“
„Hoffentlich denkt sie dran.“, sagte ich und machte mich daran, Katy wachzukitzeln. Kichernd schlug sie schließlich die Augen auf. „Morgen, Katy!“, begrüßte ich sie. Ich wollte ihr einen Kuss geben, doch sie biss mir in die Nase. „Mamma mia! Wofür war das denn?“, rief ich überrascht.
„Du bist einfach zum anbeißen!“, erklärte sie, „Außerdem hab ich Riesenhunger! Ich wette, heute schaff ich zwanzig Donuts!“
„Ich wette dagegen“, kam F.K.s Stimme aus dem Hintergrund. Er stand gerade neben dem Kühlschrank und schmierte Brote. „Du wirst heute nämlich gar keine Donuts essen. Wir haben keine Zeit mehr zum Frühstücken, und deshalb...“ Er machte eine ausladende Handbewegung über die Stullen, „...werden wir uns Proviant mitnehmen!“
Katy stöhnte. „Nicht du wieder mit deinem Vollkornbrot! Kann ich mir nicht ein paar Donuts mitnehmen?“
F.K. schaute sie streng über den Rand seiner Sonnenbrille an. „Vollkornbrot ist kernig und gesund! Das gibt viel mehr Kraft als Donuts.“
„Donuts sind aber viel leckerer!“, quengelte Katy, verstummte aber, als F.K. sie ignorierte. „Okay, okay, wenn's denn sein muss. Aber jetzt verzieht euch mal, Jungs, ich will mich anziehen!“
In dem Moment ging die Tür wieder auf – doch nicht Tony kam herein, sondern eine Putzfrau steckte den Kopf durch den Türrahmen. „Oh!“, machte sie und war wieder verschwunden. Wir mussten alle losprusten. Grinsend verzogen F.K. und ich uns auf den Balkon, wo F.K. die Brote in Tüten einwickelte. „Wirst du jetzt eigentlich unseren Rat befolgen?“, fragte er mich leise.
„Rat?“, wiederholte ich verwirrt, „Ach so. Mit Katy und Vanessa. Ähm... ich bin mir nicht sicher...“
F.K. seufzte tief. „Vielleicht machst du es dir einfach zu schwierig, Manfredo. Entscheide dich doch einfach mal, grübel nicht so lange drüber nach! Oft ist die erste Entscheidung die beste!“
„Ich hab aber keine erste Entscheidung. Außerdem muss man doch darüber nachdenken! Sonst wäre das ja totaler Zufall, als würde man's einfach auslosen oder so!“
„Yesse, yesse; si, si; richtig! Das wäre zum Beispiel eine Möglichkeit.“
Doch weiter konnten wir nicht darüber reden, denn Katy hüpfte zu uns auf den Balkon. „Na, Jungs?“, rief sie und F.K. musste schnell die Brote in Sicherheit bringen, als sie sich mitten auf den Tisch setzte, „Was heckt ihr wieder aus?“
„Eine Invasion auf Porto Colom“, antwortete ich im verschwörerischen Ton, „F.K. hat schon unser Marschgepäck vorbereitet! Aber nicht weitersagen, streng geheim!“
„Ist mein Tönchen inzwischen angetanzt?“, wollte F.K. wissen, während er die Brote zu mehreren Cola- und Energydrink-Flaschen in einen gigantischen Rucksack steckte. „Wir sollten nämlich langsam mal los!“
„Ja, ich glaube, sie ist gerade im Bad und motzt sich auf.“ Katy sprang wieder vom wackeligen Tisch herunter und zog mich hoch. „Komm, lass uns Tony anfeuern, dass sie mal langsam in die Gänge kommt!“
„Nicht nötig!“, kam es aus dem Bad. Im nächsten Moment stand Tony vor uns, in einem orange geblümten, trägerlosen Sommerkleid, pinken Highheels und Make-up wie von einem Profi-Visagisten. „Ich bin schon fertig. Hab mich mal heute nur im Schnelldurchlauf gestylt, aber es geht doch, oder?“
„Yesse, yesse; si, si; natürlich, mein Häschen!“, stimmte F.K. beeindruckt zu, während Katy ungläubig „Schnelldurchlauf?!“, in meine Richtung raunte.
F.K. rieb sich freudig die großen Hände. „Dann kann's ja losgehen! Ich würde sagen, Manfredo, wir beide wechseln uns immer mit dem Rucksack ab.“
„Das würde ich aber nicht sagen! Du bist hier doch wohl der einzige, der den überhaupt hochheben kann, oder?“, wandte ich ein.
„Ach was, so schwer ist der doch gar nicht! Hier, nimm doch mal...“ F.K. warf mir den Rucksack zu. Ich fing ihn – und er warf mich zu Boden.
„Ups; sorry, Alter...“, sagte F.K. und wollte mich wieder befreien, doch Katy kam ihm zuvor. Als wäre der Rucksack leer, rollte sie ihn einfach von mir runter und ich stand auf, während ich mir die Rippen rieb. „Nein, den trage ich garantiert nicht!“, wiederholte ich nochmal bestimmt, „Ihr könnt euch ja abwechseln, aber ohne mich!“
„Ach, Manfredo, du willst ein Mädchen deine Arbeit machen lassen? Das ist ja mal ganz was Neues!“, schmunzelte F.K. Ich wurde rot. „Nein, nein, so hab ich das ja nicht gemeint...“
„Ist doch auch egal, Leute, wollen wir jetzt endlich mal los?“, rief Katy und klimperte ungeduldig mit den Schlüsseln.
„Yesse, yesse; si, si; richtig!“, antworteten F.K. und ich wie aus einem Mund.

Bereits kurze Zeit später war unsere gute Stimmung jedoch so gut wie verflogen und wir alle ziemlich genervt: Mein Bürzel war vom Winde verweht, Tony hing kotzend über der Reling, Katy schmeckten die Brote nicht und F.K. beschwerte sich über das Boot. Das hatte nämlich gar keinen richtigen Glasboden. „So ein Betrug!“, schnaubte F.K., als er enttäuscht wieder an Deck kam. „Da unten ist nur'n bisschen Glas an den Wänden, und Alles, was man dadurch sieht, ist die Gischt.“ Dann hatte sich Tony das erste Mal übergeben und F.K. musste ihr zur Unterstützung eilen.
Ich beschloss trotzdem, mal nach unten zu gucken; dort war mein Bürzel wenigstens nicht mehr dem Fahrtwind ausgesetzt. Dummerweise hatte ich natürlich kein Haargel mit, sonst hätte ich ihn wieder richten können. Aber egal.
Unten angekommen musste ich jedoch feststellen, dass F.K. recht hatte: Es war ein niedriger, schmaler Gang, in der Mitte gab es Bänke, auf denen aber keiner saß. Wozu auch? Man sah durch die schmalen, länglichen Fenster in den Wänden tatsächlich nichts anderes als aufgewühltes Wasser. Ich fuhr mir durch die Haare und stellte fest, dass nichts mehr zu machen war. Dann konnte ich auch genauso gut wieder hochgehen. Ich merkte nämlich plötzlich, dass ich hier unten auch etwas seekrank wurde.
Oben an Deck ging es mir dank des frischen Windes wieder besser und ich setzte mich zu Katy, um ein Brot zu essen und ein wenig zu trinken, denn es war sauheiß. „Willst du auch?“, bot ich ihr die Brotdose an. Sie schnaubte nur verächtlich. „Nee, danke. Das Brot ist ekelig, das ist nichts weiter als zusammengegklebte Körner.“
„Ja, aber mit Leberwurst! Hmmm! Hier, probier doch mal!“, versuchte ich, sie doch noch umzustimmen.
„Nein danke. Aber schmeiß mal die Cola rüber, ich hab Durst.“
Ich nahm noch selber schnell einen Schluck, drückte ihr dann die Flasche in die Hand und stopfte mir den Rest des Leberwurstbrotes in den Mund. Noch kauend, erhob ich mich wieder, um nach F.K. zu schauen. Der konnte etwas Gesellschaft bestimmt gut vertragen.
Ich schlingerte und stolperte über das schwankende Deck und wäre fast einer alten Ommi auf den Schoß geplumpst, bis ich endlich die Reling erreicht hatte. Tony hing in F.K.s Armen, grünlich grau unter ihrem Make-up, und F.K. putzte ihr liebevoll den Mund mit einem Taschentuch ab. Mit ihren zerzausten Haaren und verwischtem Lippenstift war die arme Tony kaum noch wiederzuerkennen.
„Na, Manfredo?“, wandte sich mir F.K. mit einem traurigen Lächeln zu, „Dir geht’s noch gut?“
„Yesse, yesse; si, si; richtig!“ Das Boot neigte sich erneut stark zur Seite und ich musste mich an die Bootswand klammern, um nicht auf die Fresse zu fliegen. F.K. schien sich gar nicht festhalten zu müssen, als wenn er Saugnäpfe an den Füßen hätte; dafür hing nun Tony komplett in seinem Griff, denn ihre Füße waren zur Seite weggerutscht. Sie machte sich gar nicht erst die Mühe, sich wieder normal hinzustellen, sondern fing wieder an, die Fische zu füttern. Mir wurde schon beim Anblick schlecht. Hoffentlich waren wir bald da!

Nach einer endlos erscheinenden Fahrt hatten wir schließlich kaum noch Proviant und keine Nerven mehr, dafür aber den Hafen von Porto Colom erreicht. Höchst erleichtert gingen wir von Deck, und F.K. trug nicht nur den fast leeren Rucksack, sondern auch Tony.
„Wo sollen wir denn die Heinis treffen?“, fragte Katy, „War das nicht irgend so ein Café? Ich hab echt Kohldampf...“
„Du, ich glaube, ein Frischkäsebrot ist noch übrig!“, scherzte ich, doch sie ignorierte mich. Anscheinend war selbst Katy im Moment nicht nach Witzen zumute. Na klasse. F.K. und ich mit zwei griesgrämigen beziehungsweise kotzenden Mädels unterwegs, super.
„Yesse, das war ein Café“, murmelte F.K. (selbst seinen Spruch sagte er nicht mehr komplett auf!) „Wie hieß es nochmal? Rico Rico oder so ähnlich, stimmt's?“
„Kann sein“, grummelte Katy, „Hauptsache, da gibt’s Donuts!“
„Ist es nicht das dort vorne?“, kam plötzlich ein zartes Stimmchen aus F.K.s Umarmung, als Tony einen kraftlosen Arm hob und die Straße hinauf deutete.
„Yesse, yesse; si, si; richtig!“, rief ich erfreut und schlug in die Hände, „Dann mal los, Leute, worauf warten wir noch? Stürmen wir das Café!“ Frisch und munter marschierte ich voran und hatte schon die Hälfte des Wegs zurückgelegt, als ich merkte, dass die Anderen mir gar nicht folgten. Missmutig schauten sie mich nur an. „Was ist denn?“, rief ich, „Kommt schon!“
„Manfredo, du bist nicht lustig.“, stellte Katy säuerlich fest, bevor sie und F.K. sich endlich in Bewegung setzten. Ich schluckte gerade noch eine trotzige Bemerkung herunter, seufzte nur und schlurfte hinüber zu den vielen Sonnenschirmen mit Bierwerbung, Plastikstühlen und -tischen, die vor dem Rico Rico Café aufgestellt waren. Ich ließ den Blick über die dort sitzenden Besucher – hauptsächlich Touristen – schweifen und fragte mich, wie wir denn unsere Gastgeber erkennen sollten.
„Sie wollten uns an einem reservierten Tisch treffen“, sagte F.K., als hätte er meine Gedanken gelesen. Er hatte Tony auf ihren Wunsch hin nun abgesetzt und checkte ebenfalls die Lage. „Vermutlich der dort vorne. - Komm, Tönchen, du kannst dich ja sofort hinsetzen...“ Er stützte Tony so gut es ging, und sie wankte zu dem reservierten Tisch.
„Bist du dir sicher, dass es der hier ist, F.K.?“, fragte ich skeptisch, „Vielleicht wurde ja noch ein anderer reserviert!“
„Siehst du noch einen anderen? Nein.“, fuhr Katy mich an, ließ sich auf einen Stuhl fallen, dass es nur so krachte, und riss die Eiskarte an sich.
„Ist ja schon gut...“, murmelte ich gekränkt. Allmählich wurde auch ich von der miesen Stimmung angesteckt. Was konnte ich denn dafür, dass heute Alles so dumm gelaufen war? Musste Katy mich ja nicht gleich so anmachen. Am liebsten hätte ich genauso zickig reagiert, kannte sie aber inzwischen gut genug, um zu wissen, dass dies die Sache nur noch verschlimmern würde.
„Entschuldigung, wir haben hier reserviert.“, hörte ich eine leicht überhebliche Frauenstimme so dicht über mir, dass ich zusammenzuckte. Ich verrenkte mir den Hals, um nach oben zu schauen – und sah das alte Ehepaar, das ich neulich bespuckt hatte! Das hatte uns ja gerade noch gefehlt!
Auch der Blick der beiden alten Schachteln verfinsterte sich, als sie uns erkannten.
„Ach, das hätt ich mir ja denken können, dass solche wie ihr wieder ungefragt unseren reservierten Tisch blockieren!“, grunzte der Oppi, während die olle Tussi beschützend die Arme vor ihrem hellrosa T-Shirt verschränkte.
„Entschuldigung“, sagte F.K., als hätte er sich verhört. „aber wir haben hier ein Treffen mit gewissen Leuten, die den Tisch reserviert haben.“
„Sie können sich also wieder verziehen!“, kam es hinter der Eiskarte hervor und Katy tauchte über dem Rand der Karte auf. „Was ist?“, fauchte sie, als wir ihr warnende Blicke zuwarfen. „Ich wollte hier von Anfang an nicht hin! Nur weil deine Preisausschreiben-Heinis dich mal unbedingt PERSÖNLICH treffen wollen! Was hab ich damit am Hut?“
„Preisausschreiben?“, wiederholte der alte Knacker, der plötzlich leicht blass um die Nase geworden war. „Nicht zufällig bei der Wochenschau?“
Katy prustete los. „Wochenschau?!“, wiederholte sie, „Für wie alt halten sie uns? Neunzig?“
„Ähm... doch, es war bei der Wochenschau.“, wandte F.K. mit sichtbarem Unbehagen ein. „Was denn?“, fragte er Tony, die ihn entsetzt anstarrte, und ich wette, dass er unter seiner Sommerbräune knallrot wurde, „Ich hatte grade nichts anderes zu lesen!“
„Soso, nichts anderes zu lesen.“ Die Frau hatte ihre Lippen wieder zu einem Strich zusammen gekniffen. „Ihnen ist doch klar, wer wir sind?“
„Jetzt schon. Freut mich, sie kennen zu lernen.“, behauptete F.K. mit so übertriebener Freundlichkeit, dass es schon wieder ironisch war. Er erhob sich und reichte den beiden die riesige Hand, die sie beinahe angeekelt betrachteten. Also zog F.K. sie wieder weg und deutete stattdessen auf uns. „Darf ich vorstellen? Manfredo Zimmermann, Antonia McPhee und Katy Koolfree. Und Sie beide heißen noch gleich...?“
„Elfriede und Oskar Hindenburg, Leitung des Verlages der Wochenschau. Sehr erfreut.“, sagte die alte Schachtel hochnäsig und man hörte ihr an, dass sie alles andere als erfreut war. Die beiden setzten sich, wenn auch mit einigem Abstand, zu uns an den Tisch.
„Nun ja...“ Oskar räusperte sich. „Wir haben uns dieses Treffen eigentlich anders vorgestellt.“
„Nehm ich Schoko oder Kirsche?“, kam es hinter der Eiskarte hervor. Ich trat Katy auf den Fuß.
„Tja, das haben wir glaub ich auch!“, antwortete F.K., ohne Katy zu beachten, und lachte. „Und was... ähm... wollten sie jetzt mit uns besprechen?“, fragte er geschäftsmäßig.
„Besprechen?“ Die beiden schauten verwirrt drein. „Naja, wir dachten, wir könnten uns doch mal nett unterhalten, bei einer Tasse Kaffee und so... Aber unter den gegebenen Umständen...“
„Oh, wir mögen auch Kaffee!“, sagte Tony schnell, „Also, auf jeden Fall Milchkaffee. Aber mit Süßstoff!“
„Ja, genau, mit Süßstoff. So trink ich meinen auch immer!“, sagte Frau Hindenburg überraschend freundlich. „Besser für die Figur, nicht wahr?“
„Genauso ist es!“, sagte Tony. „Ach, übrigens: ihr rosa T-Shirt heute ist ziemlich modisch! Wo haben sie das her?“
„Schleim, schleim, schleim...“, grunzte Katy. Ich trat ihr fester auf den Fuß.
Herr Hindenburg räusperte sich. „Nun, bevor wir weitere Moderatschläge austauschen – wie wäre es, wenn wir erstmal eine Bestellung aufgeben?“
Da warf Katy die Eiskarte auf den Tisch. „Nein danke! Hier sitzen und zuhören, wie ihr über Kleidung faselt? Warum bin ich überhaupt mitgekommen? F.K., was hast du dir dabei gedacht?“
„Aber Katy! Sei doch nicht so...“, versuchte F.K. erfolglos, sie zu beruhigen. Auch Tony sagte: „Mensch, beruhig dich mal wieder! Ist doch ganz nett hier! Was ist überhaupt dein Problem?“
„Na, was wohl?! Glaubt ihr, ich bin hergekommen, um mit irgendwelchen alten Knackern über rosa T-Shirts zu reden?“
„KATY!“, riefen wir alle entsetzt aus einem Mund, doch sie sprang auf. „Amüsiert ihr euch mal gut! Ich verzieh mich!“ Sie warf die Haare nach hinten und stolzierte mit klackernden Absätzen die Straße entlang.
„Na, also wirklich!“, schnaubte Frau Hindenburg. „So eine Unverschämtheit! Ist die immer so?“
„Machen sie sich nichts draus“, sagte Tony schnell, „sie hat heute einen schlechten Tag! Die beruhigt sich schon wieder.“
„Die scheint ja ziemlich oft schlechte Tage zu haben...“, bemerkte Herr Hindenburg leicht eingeschnappt. Das war jetzt aber langsam genug! Ich fand nämlich, Katy hatte eigentlich recht. Ich hatte auch keine Lust, hier stundenlang zu sitzen und mich zu langweilen. Okay, Katy hatte ein bisschen überreagiert; aber so war sie nun mal! Mussten die ja nicht gleich so empfindlich sein!
„Wo gehst du denn jetzt auch noch hin, Manfredo?“, stöhnte F.K. geradezu verzweifelt, als ich mich ebenfalls erhob.
„Katy suchen.“, antwortete ich kurz angebunden. „Viel Spaß euch noch.“
Ich ignorierte Tony, die mir mit heftigen Handzeichen bedeutete, mich sofort wieder hinzusetzen, und schlug dieselbe Richtung ein, in die Katy davongerauscht war.
„Man-fre-do!“, rief Tony mir noch wie einem ungezogenen Bengel hinterher, aber ich beachtete sie nicht.
Ich lief und lief durch die stehende Hitze, ohne irgendwo Katys knallrote Shorts leuchten zu sehen oder das Klackern ihrer hohen Absätze auf dem Asphalt zu hören. Irgendwann blieb ich stehen. So kam ich nicht weiter! Ich fuhr mir nachdenklich durch die Haare. Wo war sie wohl hingegangen? In ein Geschäft? Wohl kaum. Zum Hafen zurück? Der lag in der anderen Richtung. Mein Blick fiel auf eine Dönerbude. Aber natürlich! Katy hatte schließlich Hunger, also wo hätte sie sonst hingehen sollen, wenn nicht in einen Fressladen? Da hätte ich auch früher drauf kommen können!
Ich spazierte also zu der Dönerbude und hielt zwischen all den sitzenden, stehenden und herumwuselnden, essenden oder wartenden Leuten Ausschau nach meiner Katy. Wahrscheinlich war sie immernoch so sauer, dass ich sie an einer Rauchfahne erkennen würde, dachte ich und musste bei dem Gedanken trotz der Umstände grinsen. Ah, da war sie ja! Trotz der fehlenden Rauchfahne hatte ich sie schnell gefunden; sie saß allein auf einer Bank, hatte eine absolut riesige Dönertasche in beiden Händen und aß so schnell, als hätten wir sie wochenlang hungern lassen. Als ich näher kam, sah ich, dass die Soße um ihren ganzen Mund verschmiert war. Neben ihr auf der Bank lag die unbenutzte Gabel. Dafür tropfte von ihre frisch manikürten Fingern die Soße herunter auf ihre Shorts.
Ich fragte mich plötzlich, ob Katy überhaupt Gesellschaft von mir wollte. Aber probieren ging bekanntlich über studieren, sagte ich mir und setzte mich neben sie auf die Bank. Ohne mich zu beachten, stopfte sie weiter den Döner in sich hinein. Einiges fiel auf den Boden.
„Alles okay, Katy?“, fragte ich vorsichtig.
„Hm!“, grunzte sie mit vollem Mund. Ihre grünen Augen sprühten immernoch Funken. Ihr fiel eine Haarsträhne nach vorne ins Essen, doch sie kümmerte sich nicht darum. Also griff ich nach vorne und rettete die Haare aus der Soße. Doch Katy schlug meine Hand weg. „Ich kann schon auf mich selbst aufpassen, keine Sorge!“, fauchte sie und das Essen flog in alle Richtungen.
„'Tschuldige.“, murmelte ich betroffen, „Ich wollte ja nur helfen...“
„Ich brauche aber keine Hilfe! Lass mich einfach in Ruhe, okay?“ Damit begann sie wieder, wie ein Tier mit der Nase voran im Döner zu wühlen. Doch so schnell ließ ich mich nicht wieder abschütteln. Nicht mit Manfredo Zimmermann!
„Du, Katy... ich verstehe ja, dass du sauer bist. Ich bin auch sauer! Aber deshalb müssen wir doch umso mehr zusammenhalten, meinst du nicht?“
„Nein, meine ich nicht!“, schrie sie und bespuckte mich mit Döner. „Wieso kapierst du das denn nicht? Ich komme allein zurecht! Wieso bist du mir nachgelaufen - um mir Moralpredigten zu halten? Dann geh doch einfach wieder zu deinen Freunden Oskar und Elfriede, die finden das bestimmt pädagogisch sehr wertvoll!“
„Jetzt hör mal zu!“, erwiderte ich gereizt und stand auf, während sich einige Passanten nach uns umdrehten und mir die Hitze in die Ohren stieg, „Ich bin dir nicht nachgelaufen, damit du mich jetzt hier anmotzt! Ich dachte, du freust dich, wenn du ein bisschen Gesellschaft hast! Aber nein, dann eben nicht, ich kann auch wieder gehen!“
„Schön, dann geh doch!“, brüllte Katy und jetzt spritzte nicht mehr nur die Dönersoße, sondern auch Tränen aus ihrem Gesicht. „Warum bist du dann überhaupt gekommen? Aber egal! Geh! Lass mich allein! Worauf wartest du noch? Auf 'ne schriftliche Einladung? Jetzt hau schon ab! Ich bin dir ja anscheinend völlig egal!“
Sie pfefferte den restlichen Döner auf den Boden und schluchzte in ihre beschmierten Hände. Ich war total geschockt; noch nie zuvor hatte ich Katy weinen gesehen! Was sollte ich nur tun? Ich konnte sie ja wohl schlecht heulend und beschmiert allein hier sitzen lassen – aber wie würde sie reagieren, wenn ich ihr wieder näher kam?
Doch der herzzerreißende Anblick von Katy machte mir die Entscheidung leicht. Selbst wenn ich gewollte hätte, konnte ich nicht gehen, denn meine Füße klebten wie festgenagelt am Boden direkt vor Katy. Mehrmals holte ich Luft, um etwas zu sagen, ließ es dann aber doch bleiben und knetete nur nach Worten ringend meine Hände. Schließlich ließ ich mich einfach wieder neben Katy auf die Bank fallen. „Katy... wenn du mir egal wärst, dann wäre ich doch gar nicht erst gekommen.“, sagte ich leise und drückte nach kurzem Zögern behutsam ihre eine Hand. Da nahm sie auch die andere von ihrem Gesicht und umklammerte meine Hand mit beiden so fest, dass sich ihre Fingernägel hineinbohrten. Ich legte einen Arm um sie und sie schluchzte an meine Schulter.
Ich wollte noch mehr sagen, doch die Worte wollten einfach nicht kommen. Aber wahrscheinlich war es auch erstmal besser, Katy in Ruhe zu lassen, dachte ich mir. Ich streichelte ihr zärtlich über den Rücken und ignorierte meine rechte Hand, die inzwischen eingeschlafen war, bis Katy sich wieder einigermaßen beruhigt hatte.
„Hast du 'n Taschentuch?“, fragte sie und schniefte.
„Äh... nee, aber... du hast noch das hier!“ Ich hob die Gabel auf, die immernoch neben Katy auf der Bank lag, und wickelte die Serviette davon los. Katy schnäuzte sich kräftig und wischte sich die Dönerreste, Tränenspuren und verlaufene Schminke vom Gesicht. „Ach, Scheiße, ich seh bestimmt aus wie'n Emo. Hätt ich bloß die wasserfeste genommen.“, sagte sie und betrachtete düster die schwarze Farbe auf dem Tuch. „Aber ich wusste ja nicht... dass ich so nah am Wasser gebaut bin... Oh Mann, ich bin so ein Idiot! Wie blöd kann man eigentlich sein? Manfredo, es tut mir so leid!“
„Hey, ist schon vergessen. Außerdem – wenn sich hier jemand entschuldigen muss, dann ja wohl -“
„Alter, nee, jetzt komm nicht an wie diese Herzbubis in den ganzen Kitschfilmen, die dann behaupten, selbst an Allem schuld zu sein! Es ist meine Schuld, ich bin ja so bescheuert drauf heute!“ Ach, wie entzückend normal sie plötzlich wieder war! Erleichternd!
„No, no, das wollte ich auch gar nicht sagen! Dass ich unschuldig wie ein kleiner Engel bin, ist mir schon klar.“, versuchte ich, sie aufzuheitern, und tatsächlich huschte ein Lächeln über ihr verheultes Gesicht. „Ich wollte eigentlich F.K. die Schuld in die Schuhe schieben. Er hat uns schließlich zu diesem Abenteuer überhaupt erst mitgenommen!“
„Jaa, stimmt eigentlich. Ausnahmsweise hast du mal recht, Zimmermann.“ Sie wischte sich nochmal übers Gesicht.
„Also...“, begann ich, „gehen wir jetzt F.K. zusammenschlagen oder fahren wir einfach wieder zurück?“
Sie schniefte. „Wir machen beides. Erst machen wir meinen Cousin fertig und dann hauen wir ab. Und zwar so schnell wie möglich. Ich brauch dringend ein paar Schoko-Donuts, ich glaube, ich hab Entzugserscheinungen.“
„Okay-dokay, hab ich nichts gegen einzuwenden, mein Engelchen.“
Ihre geröteten Augen blitzten plötzlich auf. „Nenn mich nochmal Engelchen, und du hast deine Nase wirklich das letzt Mal gesehen!“
„Sorry. Dann eben: mein Teufelchen. Also, geh'n wir?“
„Meinetwegen.“

Wir mussten F.K. und Tony erstmal suchen, denn sie saßen nicht mehr vor dem Café, und trafen die beiden schließlich am Hafen. Sie erschraken, als sie sahen, in welchem Zustand sich Katy befand; doch als wir F.K. dann fertig machten, behauptete er, es sei Alles überhaupt nicht seine Schuld.
„Mamma mia, wieso schiebt ihr mir die Schuld in die Schuhe? Du hast die beiden neulich doch angespuckt, Manfredo, nicht ich! Und das war ja wohl der Grund, warum sie so schlecht auf uns zu sprechen waren!“, sagte er entrüstet. „Außerdem konnte ich doch nicht wissen, dass uns ausgerechnet diese zwei alten Knacker zum Kaffeekränzchen einladen wollten. Das stand schließlich im Brief nicht drin! Und euch war das doch auch klar! Ihr hättet schließlich nicht mitkommen müssen!“
„Du hast uns ja nicht gesagt, dass du die Reise beim Wochenblatt gewonnen hast!“, beschwerte ich mich.
„Genau!“, stimmte Katy mir zu, „Da hättest du dir doch denken können, dass die Heinis steinalt sind und mit uns nichts Aufregendes machen würden!“
„Ach, kommt schon, so schrecklich waren die beiden nun auch wieder nicht.“, sagte Tony beschwichtigend. „Die Bootsfahrt war zumindest viel schlimmer! ...Oh nein... Wenn man vom Teufel spricht...“ Ihre Augen weiteten sich vor Entsetzen, als das Glasboden-Boot wieder in den Hafen einfuhr. Schon beim Anblick lief Tony wieder grün an. „Können wir nicht später...?“
„Nein.“, sagte Katy kurz angebunden in einem Ton, der keine Widersprüche duldete.
„Komm schon, mein Tönchen, früher oder später müssen wir sowieso zurück.“, tröstete F.K. seine Tony und tätschelte ihr den Arm, während wir Katy folgten, die voranstolzierte. Tony nickte nur stumm und ergab sich dem Schicksal.

Da ich nun schon wusste, was mit der Bootsfahrt auf uns zukam, fand ich das Geschaukel eigentlich gar nicht mehr so schlimm. Ich vermied es zwar diesmal, unter Deck zu gehen, tröstete mich aber damit, dass es dort auch jetzt garantiert nichts Spannendes zu beobachten gab.
Tony war bald wieder nur von hinten zu sehen, wie sie in F.K.s Armen baumelte und über der Reling den Milchkaffee wieder von sich gab. Mir war zwar nach einiger Fahrtzeit ebenfalls etwas mulmig im Bauch, doch ich redete mir ein, dass es vom Hunger kam. Darum machte ich mich über die übrig gebliebenen Brote her.
Da Katy unter Deck war, um sich zu vergewissern, dass es durch den Glasboden wirklich nichts zu sehen gab, musste ich ziemlich einsam vor mich hinmampfen, denn ich hatte verständlicherweise auch kein Bock, F.K. und Tony Gesellschaft zu leisten. Ich bewunderte Katy, die sich trotz des dicken Döners im Bauch noch unter Deck durchschaukeln lassen konnte, ohne dass ihr auch nur ein kleines Bisschen übel wurde.
Ich musste feststellen, dass die Brote das seltsame Gefühl in der Magengegend nicht beeinflussten, dafür aber meinen Durst verstärkten. Hätten wir doch nur mehr Cola mitgenommen, dachte ich und sehnte mich nach dem Kühlschrank in unserem Appartement.
Das Boot fuhr und fuhr. Manchmal kamen wir der felsigen Steilküste ziemlich nah, an die die Brandung schlug und die Gischt in der Sonne glitzerte. Ab und zu passierten wir auch einige Buchten, die genauso aussahen wie der Strand des La Perla-Park: vollgepackt mit Touris und blendend weißen Hotels. Viele Urlauber auf unserem Boot schossen Fotos von der Landschaft, doch mich interessierte die Küstenkette überhaupt nicht. Gelangweilt schaute ich auf die Uhr, nachdem ich die leeren Brottüten wieder im Rucksack verstaut hatte. Halb fünf... Blödsinn. Meine Uhr war ja heute morgen stehen geblieben, fiel es mir ein. Aber halt, ich hatte ja mein Handy dabei! Ich kramte es aus meiner Hosentasche hervor und klappte es auf. Oh Mann, wir waren ja erst eine halbe Stunde unterwegs! Seufzend lehnte ich mich in dem schmalen Sitz zurück. Das konnte ja noch dauern.
„Hallo, Manfredo!“
Irritiert blinzelte ich hoch und schaute mich um nach demjenigen, der mich da aus meinem Halbschlaf gerissen hatte. Gegen die Sonne blinzelnd schaute ich zu zwei Mädchen hoch, die ich wegen des blendenden Lichts nicht genau erkennen konnte. Ich hatte zwar schon eine Ahnung, da sie beide ziemlich groß waren und mir die Stimme bekannt vorkam, hoffte aber, dass ich mit meiner Befürchtung falsch lag.
„Was ist?“, fragte ich möglichst lässig.
Die Mädchen kicherten. „Ach, ich wollte dich nur mal meiner Schwester vorstellen. Manfredo, dass ist Antje.“
Schweigen. „Ja, hi.“, sagte ich ziemlich lahm. Was sollte das Ganze?
„Du kennst mich doch noch, Manfredo, oder?“, fuhr das kleinere Mädchen fort.
Dann hatte ich also recht. Verdammt. Ausgerechnet die! „Ja, du bist Birte. Aus Island.“
„Nee, eigentlich aus Hannover.“, sagte Birte. „Übrigens, das dort vorne sind unsere Eltern Katrin und -“
„...Udo, ich weiß.“, sagte ich schnell. Ich verstand zwar immernoch nicht, was die beiden von mir wollten, aber sie sollten nicht denken, dass sie mehr wussten als ich.
Doch die Mädchen schienen unbeeindruckt, soweit ich das ausmachen konnte. „Oh, du hast dir also ihre Namen gemerkt? Wow. Ich dachte schon, du hättest Tony gar nicht zugehört.“, sagte das andere Mädchen – Antje oder wie sie hieß - beiläufig. Ich schnappte nach Luft. „Woher weißt du...?“
„Aber anscheinend ist F.K. nicht der Einzige, auf den du hörst.“, fügte Birte hinzu, als hätte sie mich gar nicht gehört.
„Naja, so richtig hört er ja gar nicht auf ihn.“, widersprach Antje.
„Stimmt. Sonst würde er sich von Katy trennen. Nicht wahr, Manfredo?“
Ich starrte die beiden fassungslos an. Ich verstand gar nichts mehr. Woher wussten sie das Alles? Hatten sie mich ausspioniert? Aber warum?
„Nein, wir haben dich nicht ausspioniert!“, beantwortete Birte meinen Gedanken und die beiden lachten. „Aber warum wir das Alles wissen, musst du schon selbst herausfinden.“
„Kleiner Tipp: Ohne uns würde es dich nicht geben.“
„Vor allem ohne dich nicht, Atti!“
„Naja, aber du hast ja damit überhaupt erst angefangen! Ohne dich wär ich nie auf die Idee gekommen!“
„Stimmt. Ach, übrigens, Manfredo: Du wirst übermorgen Abend um... halb acht den Baumgeist wieder treffen. Oder sagen wir... nee... du darfst es dir mal ausnahmsweise selbst aussuchen.“
„Also, wann soll der Baumgeist aufkreuzen? Und wo?“
Sie hätten mir genau so gut anbieten können, mich auf den Mond zu beamen. Völlig perplex saß ich wie versteinert in dem unbequemen Plastiksitz, so weit wie möglich nach hinten gebeugt, als könnte ich diesen Abnormalen dadurch entgehen. Ich versuchte, hinter ihnen F.K. zu erspähen, gleichzeitig widerstrebte es mir aber heftig, sie aus den Augen zu lassen.
„Du musst doch keine Angst vor uns haben, kleiner Manfredo!“, sagte Birte mit übertrieben fürsorglicher Stimme und die beiden kicherten wieder.
„Ja, freu dich lieber, dass du mal die Chance hast, etwas in deinem Leben selbst zu bestimmen!“
„Also nochmal: Wann soll der Baumgeist erscheinen?“
Ich spürte den Schweiß an mir herabrinnen, und das lag nicht nur an der Sommerhitze. Diese Mädchen waren gruselig. Und sie hatten mich in die Enge getrieben! Ich musste ihnen doch irgendwie entkommen können, aber wie? Mir fiel nichts ein, denn ich konnte nicht mehr vernünftig nachdenken, da mein Kopf von einsetzender Panik lahm gelegt worden war. Und dann waren da noch all diese neuen Fragen, die die Mädels plötzlich aufwarfen – Fragen, deren Antwort ich am liebsten gar nicht wissen wollte.
Antje seufzte. „Oh man, du bist ja echt langweilig. Aber das wussten wir schließlich schon. Na gut, dann entscheiden wir das eben.“
„Sagen wir, übermorgen um Mitternacht... sitzt der Baumgeist unter deinem Bett.“
„Genau, gute Idee! Und dann, wenn du ins Zimmer kommst...“
„...stößt du dir erstmal das linke Schienenbein am Nachttisch...“
„... und dann entdeckst du den Baumgeist unter dem Bett.“
„Prima.“, sagte Birte zufrieden. Dann jedoch fragte sie: „Aber warum sollte Manfredolino unter Manfredos Bett lauern?“
„Keine Ahnung... vielleicht hat er etwas verloren, was er dort sucht...“
„Genau. Und zwar ist ihm ein alter Liebesbrief weggeweht, bei dem er auf keinen Fall möchte, dass jemand ihn findet.“
„Schon gar nicht Katylina.“
„Ja, das ist gut, so machen wir's.“
„Dann tschüss, Manfredo, viel Spaß für übermorgen!“
Die Mädchen waren schon wieder zwischen den Passagieren verschwunden, als ich endlich realisierte, dass sie von mir abgelassen hatten. Erleichtert atmete ich auf und merkte plötzlich, dass ich die Armlehnen mit beiden Händen so fest umklammerte, dass meine Fingerknöchel schon weiß waren. Ich löste sie und wischte mir mit zitternden Fingern den Schweiß von der Stirn. Was war das eben gewesen? Woher wussten sie von Manfredolino? Existierten die Baumgeister also doch? Oder bildeten sich nur Leute mit Wahnvorstellungen solche Wesen ein; war ich also genauso geistesgestört wie die beiden? Und all das Andere, was sie noch gelabert hatten – das war doch auch nicht normal gewesen! Waren die zwei nicht einfach verrückt? Aber wieso kümmerte mich das dann überhaupt? Sollten die beiden sich doch um sich selbst kümmern! Die ließen mich ja schon an meinem Verstand zweifeln!
Mamma mia! Wegen diesen blöden Tussen wär ich eben fast zusammengeklappt, wie peinlich war das denn? Und die Brotschnitten wollten jetzt plötzlich ganz dringend an die frische Luft, merkte ich auf einmal. Na super!
Ich presste mir die Hände vor den Mund, sprang auf und stürzte über das schwankende Schiff zur Reling. Da sah man's mal wieder, dass sowas krank machte! Blöde Besserwisserinnen!
„Na, Manfredo?“, hörte ich eine gut bekannte Stimme neben mir, während ich noch wie ein nasser Sack über dem Geländer hing, „Du wirst ja doch seekrank! Aber mach dir nichts draus, geht ja Vielen so.“ F.K. warf einen bedeutungsvollen Blick auf Tony, die etwa einen Meter von mir entfernt gerade eine Kotzpause eingelegt hatte und ziemlich schnaufte. „Jaa, ist doch schon gut, mein kleines Tönchen... Wir sind ja bald da...“, sagte F.K. und wollte ihr mit einem Taschentuch wieder den Mund abwischen, zog die Hand jedoch schnell wieder zurück, als Tony ihm fast draufspuckte.
Dann bekam ich erstmal nicht viel von den beiden mit, weil sich mein Magen endgültig entleerte. Ich hörte allerdings noch, wie F.K. sarkastisch „Eine Bootsfahrt, die ist lustig, eine Bootsfahrt, die ist schön“, vor sich hinsummte.
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Manfredo's Tagebuch: 35. Kapitel
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