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 Manfredo's Tagebuch: 15. Kapitel

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Faules_Kätzchen
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Faules_Kätzchen


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Manfredo's Tagebuch: 15. Kapitel Empty
BeitragThema: Manfredo's Tagebuch: 15. Kapitel   Manfredo's Tagebuch: 15. Kapitel EmptyDo Apr 21, 2011 11:07 pm

Ich hab langsam kein Bock mehr, alles, was kursiv ist, hier nochmal kursiv zu machen... (vor allem kein 2. Mal, weil ich zwischendurch plötzlich keine Internetverbindung mehr hatte Sad )
Verzeiht mir. ^^

Ferienanfang
Donnerstag,
den 18. Juni
2009
Mamma mia, jetzt war es passiert! Sie waren da.
Die Sommerferien nämlich.
Normalerweise liebte ich Ferien, aber da ich hier in Island nicht zur Schule ging, fielen sie mir jetzt extrem auf den Wecker. Schon heute, am ersten Ferientag, machten bestimmt über zwanzig Touristen Island unsicher. Soweit ich das bisher erkennen konnte, handelte es sich bei den Störenfrieden um eine vierköpfige Familie mit zwei Mädchen in meinem Alter und einem Hund, zwei ältere Ehepaare, ein junges Pärchen, drei anscheinend befreundete Frauen mit ihren Pferden und eine Großfamilie mit sieben Alten, acht Eltern und neun kleinen Kindern.
Es war schrecklich. Von einem Tag auf den anderen hatte man hier nirgendwo mehr seine Ruhe. Heute morgen kamen bereits alle paar Minuten Leute durch das Stadttor und fragten jeden, der ihnen begegnete, ob sie nicht für kurze Zeit in dessen Haus übernachten könnten. Schließlich gab es in Island kein einziges Hotel.
Ich war natürlich alles andere als begeistert, als Nici mit dem jungen Pärchen anmarschiert kam. Beide trugen blaue Shorts und ein blau-weiß gestreiftes T-shirt mit einem Anker darauf. Ich überlegte, ob auch Vanessa und ich mal im Partnerlook auftreten sollten.
„Wir haben leider nur ein Gästebett“, sagte Nici ganz eifrig, während das Paar die Reisetaschen durch die Tür bugsierte. Also echt, warum nahm der Kerl seiner Freundin das Gepäck nicht ab? „Aber eine Etage höher gibt es ein Doppelbett. Da könnt ihr schlafen, wenn euch das Design des Zimmers nichts ausmacht.“
Potzblitz! Was erlaubte sie sich, einfach fremde Leute in UNSER privates Schlafzimmer einzuladen?! Doch als ich widersprechen wollte, verschluckte ich mich an meinem Toast und musste erstmal ein bisschen vor mich hinhusten.
„Ach, bestimmt nicht, wir sind total anspruchslos.“, sagte die Frau. Sie hatte blonde Haare, wie Vanessa, aber am Haaransatz sah man, dass sie sich die Haare nur gefärbt hatte.
Nici wollte die beiden schon die Treppe hochführen, als ich vom Küchentisch aufsprang und fast mein Frühstück runterfegte. „Uno Momento! Das Zimmer gehört immernoch Vanessa und mir! Kauf dir doch ein eigenes Gästebett!“
Nici ignorierte mich. Als das Pärchen zögerte, ihr zu folgen, raunte sie ihnen gut hörbar zu: „Beachtet ihn einfach nicht. Der ist immer so unfreundlich.“
Wie bitte?! Ich und unfreundlich? „Nici, das hab ich gehört!“, rief ich empört.
Doch wieder achtete sie nicht auf mich und öffnete die Zimmertür. Ich sprang auf die Treppe und quetschte mich an den ungebetenen Gästen vorbei, um sie aufzuhalten. Doch da hatte sie den Raum schon betreten. Vanessa, die in pinker Spitzenunterwäsche auf dem Bett lag, kreischte entsetzt und wickelte sich in die Decke.
„Oh... äh, wie es aussieht, ist das Bett gerade belegt.“, bemerkte Nici nun doch peinlich berührt.
„Ja, und das wird auch so bleiben!“ Ich packte sie am Arm. „Was hast du dir dabei gedacht? Das Zimmer gehört uns! Kapiert?“
Sie verdrehte genervt die Augen. „Jetzt stell dich doch nicht so an!“
„Ich stell mich nicht an! Wenn hier jemand etwas anstellt, dann du!“
Da meldete sich der fremde Mann zu Wort. „Also, wir müssen hier natürlich nicht übernachten, bei anderen Leuten ist bestimmt auch noch Platz im Haus und...“
„Nein, kommt gar nicht in Frage!“, brauste Nici auf, „Ihr bleibt schön hier, bei den Anderen ist schon alles belegt.“
Die Zimmertür öffnete sich wieder und Vanessa tapste im plüschigen Morgenmantel heraus. „Was ist denn überhaupt los?“, fragte sie.
„Nici will UNSER Zimmer als Gästezimmer missbrauchen!“, beklagte ich mich.
„Ja, meine Güte, ein paar Tage!“, sagte Nici.
Vanessa schaute mich an. „Also, von mir aus können sie da eine Weile übernachten. Oder, Manfredo?“
Sollte man seiner Liebsten widersprechen? Vor allem, wenn man mit seiner Meinung allein dastand? Nein, sollte man nicht.
„Na schön, also gut! Macht doch, was ihr wollt.“, sagte ich zähneknirschend.
Nici drehte sich triumphierend zu dem Paar um. „Dann macht es euch mal gemütlich!“
„Nein, wartet kurz, ich muss mich noch umziehen!“, rief Vanessa und schlug die Tür wieder zu. Ich ging missmutig die Treppe hinunter, aß mein Frühstück auf und wartete auf sie.
Endlich war sie fertig umgezogen. Sie trug ein rosa Kleid mit einer weißen Blüte darauf. Eigentlich hätte ich ihr gegenüber beleidigt sein sollen, doch sie schaute mich mal wieder so unschuldig an, dass ich ihr keine Minute lang böse sein konnte.
Ich stand auf und räumte das Geschirr weg. „Komm, Vanessa“, seufzte ich, „gehen wir.“

Ich wollte eigentlich mit meiner Süßen ein ungestörtes Plätzchen suchen, doch so etwas gab es seit heute nicht mehr.
Schon als wir aus dem Haus kamen, hätten uns fast zwei Kinder umgerannt, die vor Vanessa's sorgfältig angelegten Blumengarten Fußball spielten. Wenn die mit ihrem blöden Ball die Blumen trafen, würde ich ihnen aber die Leviten lesen! Doch bevor es so weit kam, hatten die zwei Jungs schon meinen giftigen Blick bemerkt und machten sich schleunigst davon und spielten ein paar Meter entfernt weiter. Dies Gebolze ging mir auf die Nerven.
„Wollen wir an den Strand gehen?“, schlug ich vor und Vanessa nickte. „Nichts lieber als das.“

Auf dem Weg zum Meer mussten wir zu unserem Grauen feststellen, dass die Großfamilie und ein paar andere Camper Zelte und Wohnwagen mit Blick aufs Meer verteilt hatten. Entsetzlich viele und laute laufende Meter krochen und planschten an Land und im Wasser herum. Frauen mit gefärbten Haaren lagen oben ohne auf Strandliegen mitten in der Landschaft. Alte und nicht ganz so alte Männer mit dicken Bäuchen spielten im Meer mit den Windelkindern Wasserball. Vor einem Wohnwagen wurde gegrillt und es roch nach Bier. Drei Jugendliche in unserem Alter lagen auf einer Luftmatratze, ein Junge und zwei Mädchen. Sie langweilten sich anscheinend sehr. „Hey, ihr da!“, riefen uns der dicke blonde Junge zu. „Seid ihr oft hier?“
Ich raunte Vanessa zu: „Einfach nicht beachten. Ich regel das schon. - Öfter als ihr!“, antwortete ich dann herablassend. Doch die ließen sich nicht so leicht abschütteln.
„Seid ihr ein Paar?“, fragte die lispelnde Stimme des kleineren Mädchens, das selbst auf der Matratze eine große Brille trug.
Ich wurde rot. „Geht euch gar nix an!“
„Meint ihr, wir können heute weiter aufs Meer rausschwimmen?“, fragte das andere Mädchen in gebrochenem Deutsch. Sie war noch mit Abstand die Hübscheste der drei und anscheinend eine Afroamerikanerin. Doch ich war jetzt beleidigt und sagte nichts mehr.
„War das ein Ja?“, hörte ich noch die lispelnde Mädchenstimme, als wir uns von ihnen entfernten.
„Ey, der Typ kann nicht mehr reden.“, sagte der Fettwanst. „Aber scheiß drauf. Kommt, schwimmen wir weiter raus!“
Vanessa flüsterte mir zu: „Sag ihnen doch, dass sie heute lieber in der Bucht bleiben sollten. Sonst passiert denen noch was. Die Wellen sind ganz schön hoch!“
Abgesehen davon, dass es mich nicht besonders gestört hätte, wenn die drei gekentert wären, hatte sie natürlich mal wieder Recht. Ich seufzte. „Na gut.“
Doch bevor ich ihnen noch die Warnung zurufen konnte, krakeelte eine Frau mit Lockenwicklern in den Haaren aus einem Wohnwagen: „Emma! Marvin! Sue! Essen ist fertig!“ und die Kids trollten sich.
Vanessa warf mir einen fragenden Blick zu. Ich zuckte mit den Schultern. „Ach, ist doch jetzt auch egal. Lass uns lieber nachsehen, ob die Touris den Strand irgendwo anders nicht belegt haben.“
„Einverstanden.“
Wir liefen die gesamte Strandpromenade ab, aber es schien keinen einzigen freien Meter mehr zu geben, der nicht von den Touristen in Besitz genommen worden war. Oder doch - dort vorn, der Strand war noch frei!
„Hier können wir bleiben. Na endlich!“, sagte ich und setzte mich in den Sand. Meine Schuhe scheuerten, deshalb zog ich sie aus. Vanessa setzte sich neben mich. Sie trug sowieso nur Flipflops. Wir drückten unsere Zehen in den weichen Boden und schauten der Brandung zu. Es war ziemlich stürmisch heute, sodass das laute Rauschen der Wellen den Lärm und das Geschrei der kleinen Kinder fast übertönte.
Endlich hatten wir unsere Ruhe! Nur sie und ich...
Ich malte ein Herz in den Sand und Vanessa schaute mich ganz verliebt an. Ihre Haare wehten im Wind. Sie war ja sooo süß! Unwiderstehlich süß!
Also zögerte ich nicht lange, Sekunden später hing sie schon wieder an meinen Lippen. Es war so schön, wir fühlten uns so sicher und ungestört. Das Meeresrauschen war unglaublich romantisch. Alles hier war unglaublich romantisch. Am Allerbesten fand ich natürlich meine Vanessa. Heute schmeckte sie übrigens nach Banane.
Nichts, wirklich nichts und niemand störte die schöne, uncoole, kitschige Idylle hier zwischen den Dünen. Dachte ich.
Falsch gedacht. Als wir uns mal wieder gnadenlos verknotet hatten und uns als verliebtes Knäuel auf dem festen, feuchten Sand in der Brandung räkelten, durchbrach plötzlich ein ganz neues Geräusch unser eifriges Tun. Es klang wie mehrere näherkommende Surfer, der auf den Wellen auf und ab hüpfte.
„Aus dem Weeeg!“, rief jemand. Ich schaute in die Richtung, aus der die Stimme kam: Ey nee! Die Tussen mit ihren Ackergäulen waren im Anmarsch!
Wir schafften es fast nicht mehr rechtzeitig, zur Seite zu rollen, da donnerten sie auch schon lachend und spritzend an uns vorbei. Vanessa und ich zappelten und strampelten und kamen endlich voneinander los. Ich weiß nicht mehr, wie ich es geschafft habe, aus dem gordischen Knoten aus ihr, ihrem langen Rock und mir selbst hervor zu kriechen, aber irgendwann hatten wir es geschafft.
Als der Schock vorüber war, setzte nicht nur allmählich die Erkenntnis ein, dass ich Sand in der Unterhose hatte, sondern auch grenzenlose Wut. Diese blöden Urlauber! Nirgendwo hatte man mehr seine Ruhe! Das war Verletzung der Privatsphäre! Ich spürte förmlich, wie mir das Blut in den Kopf stieg.
„Bescheuerte Touristen!“, schimpfte ich, lief dampfend und rauchend vor Zorn im Kreis, trat ins Wasser und kratzte mich am Hintern. „Was erlauben die sich eigentlich! Geht ja GAR NICHT! Mamma mia! Aber die werden sich noch wundern!“
„Wundern?“, fragte Vanessa, „Was hast du denn jetzt vor?“
„Äh... gute Frage. Aber mir wird schon noch was einfallen! So wahr ich Manfredo Zimmermann heiße!“

Ich hatte tatsächlich schon eine Idee. Ich würde diesen hirnlosen Touristen einfach den Urlaub vergraulen, dann würden die schon abzischen!
Aber natürlich sagte ich das meiner harmonieliebenden Vanessa nicht. Sie hätte es garantiert nicht zugelassen.
Also gut, sagte ich mir nach dem Mittagessen, als Vanessa einen Mittagsschlaf hielt. Jetzt oder nie.
Ich verließ das Haus und lief zu dem selbstgegründeten Campingplatz. In den Dünen und auf dem Gras lagen verstreut einige Urlauber und pennten. Einige schnarchten, andere hatten sich einen Sonnenhut über das Gesicht gezogen. Irgendwer hatte sogar einen Sonnenschirm aufgestellt und lag in einem Liegestuhl. Die dachten wohl, sie könnten hier einfach ungestört rumliegen und pennen! Also wirklich! Denen würde ich es zeigen!
Jetzt brauchte ich nur noch eine Trompete. Oder eine Trillerpfeife. Die würden alle aufspringen!
Aber sowas hatte ich leider nicht. Schade eigentlich. Obwohl... Moment mal - doch, ich hatte sowas! In unserem Haus in meinem Koffer lag noch meine alte Plastikblockflöte. Ich hatte nämlich in der Grundschule mal Flöte gespielt und es danach nicht übers Herz gebracht, die Flöte wegzugeben. Ab und zu nahm ich meinen „Glücksbringer“, wie ich sie genannt hatte, damit es nicht ganz so uncool wirkte, auch nochmal in die Hand und überlegte, ob ich es nicht nochmal versuchen sollte. Darauf zu spielen, meine ich. Aber dann kam ich mir immer ganz fürchterlich kindisch vor und legte sie schnell wieder weg.
Doch wie gesagt, jetzt konnte sie nützlich sein.
Ich holte also die schwarze Flöte und kletterte damit auf einen Baum. Es sollten schließlich alle mein kleines Ständchen hören!
Das Mundstück der Flöte war schon ganz abgekaut. Egal, das machte nichts. Ich pustete mal probehalber rein. Nicht schlecht - schön schrill.
Ich begann, kräftiger in die Flöte zu blasen und zappelte wie ein wildgewordener Affe mit den Fingern auf den Löchern herum. Was für ein Spaß!
Nach und nach schraken alle Touristen im Umkreis von fünfzig Metern aus ihrem Schlaf hoch und schauten sich verwirrt um. Doch da ich vom Laub des Baumes verdeckt wurde, konnten sie mich wohl nicht entdecken. Was die für Gesichter machten! Hahaha!
„Manfredo, du spielst ja Flöte!“
Vor Überraschung wäre ich fast vom Baum gefallen. Ach du dickes Ei! War das etwa Vanessa?
Ich unterbrach mein Gequietsche und schaute mich um. Sie stand unter dem Baum und strahlte zu mir hoch. Und ich bekam wieder furchtbar rote Ohren. Wie peinlich! Jetzt war es egal, was ich jetzt sagte, es war sowieso alles falsch! Sie sollte ja nicht denken, dass ich nur aus Spaß herumflötete; aber genauso wenig konnte ich ihr sagen, dass ich die Touristen verscheuchen wollte!
„Ich... äh... ja! Ich meine... ich hab mal Flöte gespielt. Ich wollte nur mal ausprobieren, ob sie noch funktioniert. Weil... weil ich sie nämlich endlich weggeben will. Und ich kann sie doch schlecht verkaufen, wenn sie nicht mehr geht!“
Vanessa zog die linke Augenbraue hoch. Sie machte nicht gerade den Eindruck, als würde sie mir glauben. Da hatte ich wirklich schon mal bessere Lügen erfunden.
„Manfredo, du bist ja SO SÜSS! Das muss dir doch nicht peinlich sein! Ich spiele auch total gern Flöte!“
Um Himmels Willen, jetzt dachte sie etwas total Falsches!
„Nein, Vanessa, du verstehst das falsch! Ganz falsch!“, wehrte ich ab, aber sie hörte nicht auf mich, sondern fuhr begeistert fort: „Ich hole mal meine Flöte, dann können wir zusammen spielen. Bis gleich, warte hier auf mich!“
„Nein, Vanessa, nein! Es ist nicht so, wie du denkst!“
Doch sie war schon auf dem Rückweg zum Haus. Oje! Was sollte ich denn jetzt bloß tun? Ich konnte nicht Flöte spielen! Und ich wollte es auch nicht! Baaaaaah!
So schnell ich konnte, kletterte ich wieder vom Baum herunter. Ich musste Vanessa wohl die Wahrheit sagen, sonst würde ich mich furchtbar blamieren!
Schnell lief ich ihr hinterher. „Vanessa, warte! Es tut mir leid! Ich kann gar nicht mehr Flöte spielen! Ich wollte nur die Touristen...“
Sie öffnete jedoch die Haustür, ohne mir zuzuhören. Als ich sie am Arm festhielt, lächelte sie mich aufmunternd an. „Es muss dir wirklich nicht peinlich sein! Komm schon, Manfredo. Hör doch auf, Ausreden zu erfinden.“
„Das ist keine Ausrede! Es ist die Wahrheit!“
Sie glaubte mir einfach nicht! Und ich konnte sie ja schlecht mit Gewalt davon abhalten, ihre Flöte zu holen.
Als sie wieder herauskam, trug sie nicht nur ihre Flöte, sondern auch ein Notenheft und einen Notenständer mit sich. Sie stellte beides irgendwie auf den unebenen Boden.
„Vanessa, glaub mir doch! Ich kann nicht spielen!“, wiederholte ich erneut.
„Doch, das kannst du! Komm schon, glaube an dich!“
„Aber... muss das hier draußen sein?“
„Natürlich nicht, wenn du das nicht möchtest. Aber drinnen hört uns Nici zu. Ist dir das lieber?“
„Ich... Nein... - Bitte Vanessa, vergiss es einfach! Ich bin ein ganz miserabler Flötenspieler! Ich... ich habe seit Jahren nicht mehr geübt! Seit Jah-ren! Und... und meine Flöte klingt auch ganz fürchterlich!“
Bittend schaute ich sie an. Sie blätterte in ihrem Heft. Hilfe, so viele Punkte und Striche und Linien und komische Kringel! Wie sollte daraus ein Lied entstehen?
Dann steckte sie ihre Flöte zusammen, sah endlich zu mir hoch und musste kichern.
„Guck doch nicht so, Manfredo! Komm schon. Ein Lied.“
„Ja, aber...“
„Tu es für mich!“
Jetzt schaute sie mich ganz bittend an, mit ihren großen blauen Augen. Ich konnte unmöglich Nein sagen. Dieser verdammte Hundeblick!
„Na gut, also schön. Ein Lied. Ein kurzes! Und erzähl das Niemandem, okay?“
Vanessa strahlte und freute sich wie ein Honigkuchenpferd. „Ich wusste doch, dass du Ja sagen würdest!“

Das war wirklich die Blamage meines Lebens. Am Anfang bekam ich nichts auf die Reihe und als Vanessa mir dann das Nötigste wieder einigermaßen beigebracht hatte, kamen die Touris und glotzten. Die Jugendlichen kicherten und flüsterten. Meine Ohren glühten wie Grillkohle und ich verspielte mich dauernd. Und dann kamen auch noch ein paar Isländer und sangen mit den Touris Ich hört´ ein Sichlein rauschen und Was müssen das für Bäume sein und natürlich Alle meine Entchen. Am liebsten wäre ich im Boden versunken. Was für ein Albtraum! Wieso wachte ich nicht einfach wieder in meinem Bett auf und merkte, dass ich das alles nur geträumt hatte? WIESO?! Das hatte ich nicht verdient!
Endlich hatte Vanessa genug gespielt und wir konnten die Tortur beenden. Ich hatte vorher nicht gewagt, sie zu fragen, ob wir endlich aufhörten. Das wäre ja total feige gewesen.
Kaum zu glauben, die Leute klatschten sogar Beifall! Waren die wirklich begeistert oder lachten die uns im Stillen aus?
Ich wollte es gar nicht wissen. Schon war ich im Begriff, mich schnellstens mit Vanessa zu verziehen, als es plötzlich sehr still wurde und alle in eine Richtung schauten. Ramo kam würdevoll herbeigeschritten. In seinen Händen hielt er feierlich eine indianisch bemalte Holzflöte. „Erlauben Mao-phe-doh und Wa-nesa Ramo-to, eine kleine Melodie zu dem Konzert beizutragen?“, fragte er. Die Jugendlichen tuschelten und warfen ihm halb amüsierte, halb bewundernde Blicke zu.
„Warum nicht?“, sagte ich. „Dann hau rein, Kumpel!“
Schnell setzte ich mich auf einen Stein. Das war jetzt genau das Falsche gewesen, was ich sagen konnte! Hau rein, Kumpel - ja klar! Mit 'ner Blockflöte!
Das klang ja so, als würde ich diese komischen hohlen Holzstäbchen auch noch cool finden!
Doch Ramo war ganz ernst bei der Sache. Er stellte sich auf die erste Stufe unseres Hauses, um ein bisschen erhöht zu sein. Würdevoll ließ er seinen Blick über die Menge schweifen. Es wurde wieder totenstill. Nur die Blätter der Bäume rauschten im Wind. Man hörte sogar das Meer, obwohl unser Haus ein ziemliches Stück davon entfernt stand. Alle schauten den Indianer erwartungsvoll an. Ich konnte nur schwer ein Lachen unterdrücken. Was für eine Komödie! Da stand Einer mit 'ner Flöte und einer ganzen Menschenmenge um sich herum! Als wenn Ramo das achte Weltwunder war! Und gleich spielte er bestimmt Hänschen klein, während die Zuhörer leidenschaftlich mitsangen! OH MEIN GOTT, HILFE! In was für einer Klappsmühle war ich hier eigentlich?!
Doch so dachte ich nur, bis er anfing, zu spielen. Er spielte nämlich zum Glück nicht Hänschen klein, sondern irgend so eine Musik, die ich noch nie gehört hatte. Und seine Flöte klang überhaupt nicht nach Kindergarten-Blockflöte, sondern richtig abgespaced. Mit langen, holzigen Tönen. So... indianisch irgendwie. Na, das hätte ich mir irgendwie auch denken können.
Es war ein langes Stück, aber niemand regte sich. Sogar die Jugendlichen waren still und auch die kleinen Kinder, die andächtig nur in Windeln und mit Sandschaufeln in den kleinen speckigen Händen herumstanden, machten kein Theater.
Allmählich entspannte ich mich wieder und schaute zum Meer. Der bedeckte, graue Himmel, das ebenfalls grau-blaue Wasser und die im Wind wehenden Gräser auf den Dünen passten gut zu der Stimmung, die Ramo mit seiner Musik verbreitete. Sogar die Zelte, die geduckt zwischen den Dünen hervorschauten und im Wind flatterten, passten ins Bild.
Die drei Frauen galoppierten mit ihren Pferden durch die Brandung, die heute sehr stark war. Eines der Pferde war schwarz, wie mir jetzt erst auffiel. Schwarzer, wilder Mustang im Galopp... Auch das passte. Alles passte. Eigentlich sind die Urlauber doch gar nicht so schlimm, dachte ich mir. Und Blockflöten auch nicht.
Ramo spielte immernoch. Wie er sich diese ganzen Töne bloß merken konnte! Oder dachte er sie sich gerade erst aus? Ich hätte es ihm zugetraut.
Ich spürte auf einmal förmlich, dass Vanessa mich ansah und schaute fragend zurück. Sie lächelte vielsagend und deutete zum Meer. Aber natürlich! Jetzt, wo alle Touristen hier waren, hatten wir den Strand für uns!
Ich nickte und nahm ihre Hand. Dann stahlen wir uns leise davon.

Ramo's Musik begleitete uns noch auf dem ganzen Weg bis hinter die Dünen. Nur hier, direkt am Wasser, konnte man ihn kaum noch hören, da die Wellen so laut rauschten. Aber ein bisschen im Hintergrund hörte man ihn noch.
Vanessa kuschelte sich an mich. Sie hatte ja nur ein Top an und der Wind war ziemlich kühl.
„Komm, wir gehen da vorne hinter die Düne. Da sind wir windgeschützt.“, schlug ich ganz fachmännisch vor und legte einen Arm um sie.
„Einverstanden“, sagte Vanessa.
Gesagt, getan. Es war wirklich angenehmer hinter der Düne, abgesehen davon, dass uns der Sand ins Gesicht gepustet wurde. Aber damit konnte man leben. Einträchtig nebeneinander sitzend schauten wir aufs Wasser hinaus. Am Horizont türmten sich dunkle Wolken. Es sah so bedrohlich aus, wie ein bevorstehender Weltuntergang.
Sah aber gar nicht schlecht aus. Dramatisch, aber romantisch. Jedenfalls mit Vanessa im Arm.
Doch damit war Schluss, als sie plötzlich aufstand. Sie wollte doch wohl nicht schon wieder gehen?!
„Schau mal, Manfredo! Da vorne!“, sagte sie und zeigte aufs Meer. Och Mensch, warum wurde sie jetzt so unromantisch?
Aber sie sah wirklich besorgt aus. Also stand ich schweren Herzens ebenfalls auf.
„Was gibt’s denn, Süße?“, erkundigte ich mich und schaute in die Richtung, wo sie hinzeigte. Ich sah nur Wellen.
„Da vorne schwamm eben jemand auf einer Luftmatratze.“, rief sie aufgeregt. Auf einer Luftmatratze? Der wäre ja lebensmüde bei dem Wind!
„Ach, das hast du dir bestimmt nur eingebildet“, beschwichtigte ich sie. Ich wollte mich jetzt nicht um irgend einen lebensmüden Urlaubsplanscher kümmern, der da möglicherweise herumpaddelte. Deshalb waren wir doch nicht hierher gekommen!
Doch Vanessa ließ nicht locker. Ich wollte mich gerade wieder hinsetzen und warten, bis ihr endlich klar war, dass da eben nichts herumschwamm, als ich es auch sah. Es war die rote Luftmatratze, die ich schon mal gesehen hatte. Und darauf schien jemand zu sitzen.
„Okay, du hast recht. Da schwimmt wirklich jemand.“, gab ich zu. „Aber das kann uns doch wurscht sein, oder?“
„Aber Manfredo, was ist, wenn jetzt ein Gewitter losgeht? Oder wenn der zu weit raus schwimmt? So wie wir neulich. Oder wenn die Luftmatratze undicht ist, oder...“
„Schon gut, schon gut, ich hab's ja verstanden!“ Abwehrend hob ich die Hände. „Aber was willst du da machen? Wir können doch schlecht dahin schwimmen und den Typen zurückholen!“
„Aber irgendetwas müssen wir doch machen können!“, rief Vanessa und raufte sich die langen Haare. Sie war schon wieder am Verzweifeln. Sie sollte bloß nicht anfangen, zu weinen! Dann müsste ich auch wieder heulen und hätte zwei Blamagen an einem Tag. Nein, drei sogar. Wenn das jetzt diese drei Jugendlichen auf ihrer Matratze waren und ich ihnen nicht half, wäre es auch ziemlich peinlich für mich...
Ich meine, ich hätte ihnen lieber sagen sollen, dass sie heute nicht so weit rausschwimmen dürfen!
Andererseits war es doch offensichtlich, dass das Meer ziemlich stürmisch war. So blöd konnten doch selbst die nicht sein, oder?
Aber wenn doch, dann war ich ja sozusagen mit Schuld daran, wenn ihnen was passierte! Und wenn ich sie nicht rettete, war das dann „unterlassene Hilfeleistung“? Konnte man dafür bestraft werden? Wenn Ramo uns damals nicht gerettet hätte... okay, ich musste ihnen jetzt helfen! Ein Mann muss tun, was ein Mann tun muss!
„Ich werde sie retten!“, verkündete ich bestimmt, „Und wenn es das Letzte ist, was ich tun werde!“
Vanessa schaute mich ängstlich an. „Jetzt sprich doch nicht so! Lass uns lieber Hilfe holen!“
„Wer soll dem lebensmüden Typen denn helfen, wenn nicht ich?“
„Ramo natürlich! Komm, holen wir ihn schnell! Der macht das mit links!“
Sie schnappte mich am T-shirt und wollte mich mitziehen, doch ich sträubte mich. „Uno Momento!“, rief ich, „Das ist meine Aufgabe! Ich muss mich der Verantwortung stellen!“
„Und wie willst du das machen? Manfredo, ich hätte ja solche Angst um dich! Außerdem hast du doch kein Boot!“
„Na, und ob! Klar habe ich das!“, antwortete ich stolz. „Und ich habe die ganzen letzten Wochen fleißig geübt. Jetzt schlägt meine Stunde, Vanessa! Verstehst du? Es geht um meine Ehre!“
„Alter Schwede, was soll denn das Gesülze?“, lispelte jemand hinter mir. Es war Emma mit den Bauklötzen vor den Augen. Marvin sprang hinter ihr über die Dünen. „Hey ihr, habt ihr Sue gesehen? Sie wollte vorhin mit der Luftmatratze noch auf dem Wasser bleiben, und sie ist noch nicht wieder hier!“, rief er uns über das Rauschen von Wellen und Wind zu.
Sue war also da draußen. Und ich würde sie retten!
Ohne auf Marvin's Frage zu antworten, warf ich Vanessa nur einen vielsagenden Blick zu und lief dann so schnell ich konnte durch den Sand zu der Stelle, wo ich mein Boot immer im Gestrüpp versteckt hatte.
„Manfredo, warte doch! Das ist viel zu gefährlich!“, rief Vanessa und lief hinter mir her. Der Wind war inzwischen dabei, sich in einen Sturm zu wandeln.
Ah, da war ja mein Kanu! Ein schickes, windschnittiges Modell übrigens. War nicht ganz billig gewesen. Aber das würde sich jetzt bezahlt machen!
Ich zerrte das Boot durch die Dünen zur Brandung. Vanessa hatte mich nun erreicht und wollte mich festhalten. „Manfredo, lass es lieber sein! Das kann Ramo erledigen!“
„Nein, Vanessa! Du verstehst das nicht. Das ist meine Angelegenheit!“
„Aber Ramo könnte doch...“
„Ramo hat damit überhaupt nichts zu tun.“, fuhr ich ihr dazwischen. Ich konnte diesen Namen langsam nicht mehr hören.
Ohne Vanessa noch weiter zu beachten, watete ich durch das Wasser und stieg in das schwankende Boot. Das schaffte ich inzwischen zumindest, ohne dabei dauernd umzukippen, aber besonders gut klappte es immernoch nicht.
Übrigens war ich innerlich gar nicht so gelassen, wie ich mich Vanessa gegenüber benahm. Im Gegenteil, ich hatte regelrechtes Herzrasen. Aber wie gesagt, wenn ich kein Feigling sein wollte, musste ich die Suppe auslöffeln, die ich mir eingebrockt hatte!
„Aber Manfredo! Ramo kann das bestimmt besser als du! Er fährt doch schon sein ganzes Leben lang Boot! Und du bist noch nie bei so hohen Wellen gefahren!“ Vanessa konnte es einfach nicht lassen. Sie stand noch am Ufer und streckte flehend die Hände nach mir aus. Doch ich zog unerbittlich die Spritzschutzfolie fest. Ich konnte nicht vermeiden, dass meine Finger dabei zitterten. Verdammt! Ich biss die Zähne zusammen. Ich musste mich wirklich zusammenreißen. Ich musste stark sein!
„Sagt, was geschieht hier, Mao-phe-doh und Wa-nesa?“, fragte plötzlich Ramo, der gerade angelaufen kam, als ich mich mit dem Paddel abstieß. Das Boot schwankte. Ich fand es immernoch ein wenig mühsam, das Gleichgewicht zu halten.
„Manfredo will ein Mädchen retten, das zu weit rausgeschwommen ist!“, jammerte Vanessa, „Ramo, mach du doch etwas! Auf dich hört er vielleicht, weil du auch ein Junge bist!“
Ramo schaute zu mir herüber. Seine Miene war unergründlich. Dann legte er Vanessa beruhigend einen Arm um die schmalen Schultern und sagte feierlich: „Mein Bruder Mao-phe-doh wird erwachsen, Wa-nesa. Er muss seiner Bestimmung folgen, um zu einem Mann zu reifen. Wir dürfen ihn nicht aufhalten, wenn sein Herz dazu entschlossen ist. Hab keine Angst, Kleine Blume, die sich der Sonne zuneigt. Hab Vertrauen in den Schwarzen, wilden Mustang im Galopp.“
Hatte er wirklich gerade gesagt, dass ich „reifen“ sollte?! Also ich musste schon bitten! Ich war doch kein Käse!
Aber ansonsten war es natürlich schon nett von ihm, mich in meiner Entscheidung zu bestärken und dass er an mich glaubte. Weil ich das nämlich im Moment nicht so sehr tat.
Schon innerhalb der Bucht war das Wasser sehr unruhig und mein Boot hüpfte auf und ab. Doch als ich auf der Bucht heraus paddelte, wurde es richtig hart. Beim Anblick der Wellenberge, die zum Teil mehrere Meter hoch wurden, zog sich mein Magen zusammen. Doch ich paddelte tapfer weiter und gab alles, um bloß nicht aus dem Gleichgewicht zu geraten. Ich schaukelte nach rechts und links und kippte manchmal fast um. Der Wind blies wirklich sehr stark, viel stärker noch als am Strand.
Kaum war ich eine Welle heil herunter gekommen, ging es schon wieder die nächste hinauf. Mamma mia! Wie sollte ich hier Sue finden? Das waren ja die reinsten Wellenberge!
Ich wagte es, kurz mit dem Paddeln aufzuhören und mich umzuschauen. Wasser, Wasser, noch mehr Wasser... aha, da vorne hatte kurz etwas Rotes aufgeblitzt! Ein Glück, dass die Matratze wenigstens gut zu sehen war. Wenn sie jetzt schwarz gewesen wäre... daran wollte ich gar nicht denken.
Ich stieß also wieder mein Paddel ins Wasser und bewegte mich in die Richtung, wo ich meinte, sie gesehen zu haben. Ich war echt dankbar für die Spritzschutzfolie, sonst wäre mein Boot schon hoffnungslos überflutet gewesen.
Paddel rechts, Paddel links, rechts, links, rechts, links...
Welle hoch, Welle runter, hoch, runter...
Halleluja, ich wurde seekrank! Gar nicht gut für einen Superhelden.
In einem plötzlichen Schwindelanfall wurde ich von einer Welle umgeworfen. Wie in Zeitlupe kippte ich um. Es machte laut PLATSCH, als ich im Wasser landete. BLUBB, erwiderte ich. Ich versuchte natürlich sofort, mich wieder hoch zu drehen, doch dieses Vorhaben war nicht von Erfolg gekrönt. Shit. Ich hätte die Eskimo-Rolle besser üben sollen! Wie zum Geier kam ich jetzt wieder hoch?
Es gab nur eine Möglichkeit: ich musste aussteigen!
Schnell machte ich mich wieder an der Spritzschutzfolie zu schaffen und versuchte, irgendwie aus dem Boot heraus zu kommen. Verdammt, verdammt, verdammt! Ich steckte fest! Langsam wurde mir die Luft knapp. Ich fingerte wie wild an der Bootöffnung herum, doch sie wollte mich einfach nicht loslassen. Hilfe! Wenn das so weiterging, würde ich schlimmstenfalls noch absaufen! Was würde Vanessa nur dazu sagen? Ich durfte sie nicht enttäuschen! Und Ramo natürlich auch nicht! Außerdem hatte auch ich selbst nicht unbedingt vorgehabt, jetzt zu krepeln. Ich meine, ich war gerade mal dreizehn! Und dann so ein peinlicher Tod! Nein, das durfte ich mir nicht gefallen lassen! Dieses bescheuerte Meer hatte kein Recht dazu, mich einfach um die Ecke zu bringen! Na, das würde mich aber noch kennen lernen!
Ich zappelte und strampelte und zog und schob und drehte und wand mich hin und her und vor und zurück. Nur noch meine Beine steckten fest, sodass es mit Müh´ und Not reichte, den Kopf aus dem Wasser zu strecken. Puuuuuh! Erstmal Luft schnappen! Das war knapp gewesen.
Und was sah ich in diesem Moment etwa einen Meter von mir entfernt?
Sue, die auf dem Bauch auf der roten Luftmatratze lag und dabei war, in Richtung Strand zu paddeln!
„Hey, Sue!“, rief ich, „Kannst du mich mal bitte umdrehen?“
Sie wurde gerade eine Welle hinauf gehoben und schaute mich an, als hätte ich vor ihren Augen eine Ratte gegessen.
„What the fuck...“, entfuhr es ihr und sie kam zu mir gepaddelt. „Du bist doch der Typ von vorhin! Warum hast du gesagt, dass wir so weit rausfahren können?“
„Hab ich doch gar nicht!“, protestierte ich.
„Und was machst du dann hier? Mich retten, oder was?“
Ich fühlte mich durchschaut. „Äh... ja! Ich meine, das hatte ich eigentlich vor...“ Beim Anblick ihrer Miene beschloss ich, das Thema zu wechseln. „Also was ist, drehst du mal bitte mein Boot um oder willst du zusehen, wie ich absaufe?“
Nicht gerade eine Heldenansprache. Aber so war es nun mal! Es wollten ja immer alle, dass ich die Wahrheit sagte!
Kopfschüttelnd setzte sich Sue aufrecht hin. „Oh dear, du bist vielleicht ein Freak! Gib mir die Hand.“ Als wir gerade wieder über eine Welle rüber waren, zog sie mich hoch.
„Puh!“ Ich versuchte, trotz der unglücklichen Situation zu lächeln. Ich war von oben bis unten tropfnass und auch im Inneren meines Bootes war nun Wasser. „Danke, Lady! Du hast was bei mir gut. Keine Sorge, ich werde schon dafür sorgen, dass wir beide sicher aus diesem wildgewordenen Planschbecken wieder rauskommen, darauf kannst du Gift - hey!“, beschwerte ich mich, als sie mir eine schallende Ohrfeige verpasste, die mich beinah wieder ins Wasser warf.
„Weil du zu blöd warst, dich mit deiner Nussschale vernünftig umzudrehen, sind wir wahrscheinlich weiter raus getrieben! Und jetzt erzähl mir nichts von einem Planschbecken oder dass du mich retten wolltest!“
„Hey, ist ja schon gut!“ Beleidigt rieb ich mir die kribbelnde Wange. „So meinte ich das doch nicht!“
„Ist mir doch egal, was du meintest, ich will einfach zum Strand zurück.“
„Hättest ja gar nicht erst so weit rausfahren müssen!“
Ich wollte noch weiter sprechen, doch eine Welle, die mich wieder fast umgeworfen hätte, hinderte mich daran. Sue kniff nur die Lippen zusammen und paddelte wieder bäuchlings vorwärts.
„Komm doch mit ins Boot“, schlug ich gegen meinen eigenen Willen vor. Aber sonst hätte ja die ganze Aktion nichts genutzt!
„In die kleine Nussschale?“, fragte sie skeptisch.
„Klar. Ich kann ja die Folie abnehmen.“
„Und was, wenn wir dann umkippen?“
„Das werden wir nicht. Außerdem liegt das Boot mit zwei Leuten sowieso tiefer im Wasser, da kippt es nicht so leicht um.“ Wie schlau ich reden konnte! Vanessa hätte ich damit längst überzeugt.
Sue aber nicht. „Nee, ich bleibe lieber auf der Matratze.“
„Dann nimm wenigstens dieses Paddel.“, sagte ich und gab ihr mein Ersatzpaddel. Das nahm sie zum Glück auch an.
Na, tolle Rettungsaktion. Aber wenigstens hatte ich sie überhaupt gefunden. Das hätte nicht jeder geschafft!
Wir paddelten also weiter über die Wellen. Es war verrückt, aber man gewöhnte sich daran, immer hoch und runter geschleudert zu werden. Ich dachte mir, wenn ich das hinter mir hatte, könnte ich es mit links mit Ramo aufnehmen. Jedenfalls was das Kanufahren betraf. Schon jetzt war ich natürlich viel schneller als Sue auf ihrer Matratze. Irgendwann legte sie dann doch ihren Stolz ab und fragte mich, ob sie mit einsteigen könnte, damit wir schneller wieder an Land waren. Na also, warum denn nicht gleich?! Es war zwar ein ganz schöner Akt, bis sie endlich drin war, ohne dass das Boot umkippte, doch schließlich hatten wir es geschafft. Sie öffnete das Ventil der Luftmatratze und ließ die Luft raus, dann stopfte sie sie noch mit ins Boot.
Es war eine furchtbar wackelige Angelegenheit, da Sue es ja nicht gewohnt war, in einem Kanu unterwegs zu sein, schon gar nicht bei so einem Sturm. Einige Male schleuderte uns eine Welle auf die Seite, doch da ich die Spritzschutzfolie weggelassen hatte, konnten wir einfach wieder reinkrabbeln. Wobei „einfach“ übertrieben ist. Das Boot hatte wohl genug von uns und drehte sich immer dann, wenn wir fast wieder drin saßen.
Als wir schon fast die Bucht erreicht hatten, wurden meine Arme langsam wirklich schlapp vom vielen Gepaddel. Außerdem hatte ich das Gefühl, dass die Wellen immer stärker wurden. Immer öfter fielen wir aus dem Kanu. Und dann fing es auch noch an, leicht zu regnen. Ich hatte langsam echt kein Bock mehr auf dieses ganze Wasser. Aber da musste ich durch.

Endlich näherten wir uns dem Strand. Dort hatten sich schon ziemlich viele Leute versammelt und rannten wie aufgescheuchte Hühner am Wasser hin und her.
Ich war echt am Ende meiner Kräfte, als ich am Ufer anlegte, doch die jubelnden Isländer und Sue's Eltern, die sich überschwänglich bei mir bedankten, entschädigten die Mühe mindestens genauso wie Ramo, der mir auf die Schulter klopfte und feierlich verkündete: „Mao-phe-doh, mein Bruder, du hast die Herausforderung bestanden. Ramo-to wusste doch, dass du es schaffen würdest.“
Aber am Besten war natürlich Vanessa, die mit flatterndem Rock und wehenden Haaren zu mir gerannt kam. „Manfredo! Manfredo!“, schrie sie und fiel mir um den Hals. Sie zerdrückte mich fast vor Wiedersehensfreude. Dabei war ich keine halbe Stunde auf dem Wasser gewesen, wie ich mit einem Blick auf meine wasserfeste Armbanduhr überrascht feststellte.
„Vanessa, ich tropfe. Du machst dir ja deine schöne Kleidung nass.“, sagte ich.
„Na und?“, erwiderte sie, „Wen interessiert jetzt schon Kleidung! Du bist wieder da, du hast es geschafft! Mein Held!“
Ach, meine kleine Vanessa! Und sie war so schön warm und trocken! Im Gegenteil dazu war ich in meiner nassen Kleidung ziemlich am Schlottern.
„Mensch, Manfredo, mein Junge, du bist ja ein richtiger Superheld!“, lachte der Bürgermeister, der auch zum Strand hingekrüppelt war und mit aller Kraft seinen Melonenhut festhielt, der ihm fast vom Kopf gepustet wurde. In der anderen Hand flatterten wieder eine neue Urkunde und eine Medaille. „Hier, nochmal für besondere Auszeichnungen! Aber versprich mir, dass du in Zukunft weniger gefährliche Abenteuer unternimmst, ja?“
Damit überreichte er mir die Auszeichnungen. Ich bedankte mich und ließ mich von Vanessa mitziehen, die meinte: „Am besten koche ich dir erstmal einen Tee. Sonst erkältest du dich noch, Schatz.“
Nichts lieber als das!, dachte ich mir. Wir gingen also wieder nach Hause, wo Vanessa mich sofort ins Bett verfrachtete. Im Herzchenbett schlief ja leider das andere Pärchen.
Aber abgesehen davon war ich durchaus zufrieden mit diesem Tag.
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BeitragThema: Re: Manfredo's Tagebuch: 15. Kapitel   Manfredo's Tagebuch: 15. Kapitel EmptyFr Apr 22, 2011 10:29 am

hat dieses Forum keinen einzigen Daumen-hoch-Button? Wie doof *trauer*

Auf jeden Fall wieder seeeehr schön, weiß grad nicht, was ich schreiben soll
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BeitragThema: Re: Manfredo's Tagebuch: 15. Kapitel   Manfredo's Tagebuch: 15. Kapitel EmptyFr Apr 22, 2011 12:59 pm

hehe, danke Very Happy
Ich werde dann heute noch das nächste Kapitel reinstellen, denke ich... Das ist sowieso relativ kurz, beinhaltet aber den WENDEPUNKT Wink
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BeitragThema: Re: Manfredo's Tagebuch: 15. Kapitel   Manfredo's Tagebuch: 15. Kapitel EmptyFr Apr 22, 2011 2:33 pm

uii, ein Wendepunkt
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BeitragThema: Re: Manfredo's Tagebuch: 15. Kapitel   Manfredo's Tagebuch: 15. Kapitel EmptyFr Apr 22, 2011 8:26 pm

jaa, sei gespannt! Wink
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BeitragThema: Re: Manfredo's Tagebuch: 15. Kapitel   Manfredo's Tagebuch: 15. Kapitel EmptyFr Apr 22, 2011 8:36 pm

*gespannt sei*
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