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 Manfredo's Tagebuch: 17. Kapitel

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Faules_Kätzchen
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Manfredo's Tagebuch: 17. Kapitel Empty
BeitragThema: Manfredo's Tagebuch: 17. Kapitel   Manfredo's Tagebuch: 17. Kapitel EmptySo Apr 24, 2011 3:02 pm

Nur ein Albtraum?
Samstag,
den 20. Juni
2009
Ich hörte auf einmal Regen auf Glas prasseln, spürte einen Gurt um die Brust und eine weiche Lehne im Rücken. Ich bemerkte verwundert, dass weder meine Arme noch weh taten, noch mein Kopf, noch meine Beine, noch irgendein anderer Teil meines Körpers. Anscheinend hatte ich den Fall in die Grube unbeschadet überstanden.
Zu unbeschadet, es war richtig unheimlich.
„Schade, dass du dich auf den langen Weg nach Island machst...“, sagte plötzlich eine knarzige Stimme, „Ist weit vom Schuss und es regnet in Strömen...“
„Passt schon.“, murmelte ich verwirrt und schlug endlich die Augen auf. Ich saß in einem Auto, das mir bekannt vorkam, ich wusste aber nicht mehr, woher. Nachdenklich kratzte ich mich am Kopf- und zuckte wie elektrisiert zurück, als ich merkte, dass meine Haare leicht nass, aber ordentlich und sauber gestylt waren. Irgendetwas ging hier nicht mit rechten Dingen zu.
„Na, manchen Leuten kann man's auch nie recht machen. Sag mal, du kleine Landschildkröte, wie heißt du überhaupt?“
„Manfredo.“, antwortete ich automatisch. Diese Unterhaltung kam mir auch bekannt vor. Ich reckte mich und erblickte im Rückspiegel das alte Gesicht eines bärtigen Taxifahrers. Aber natürlich! Ich erinnerte mich an den Freak! Der hatte mich damals nach Island gefahren!
„Soso, Manfredo. Ist'n ordentlicher Name für 'nen kräftigen Burschen!“
Was hatte ich damals geantwortet? Ach ja. „Jo, echt hart.“, sagte ich. Ob er jetzt wieder mit diesen Geldproblemen ankam?
„Also Manfredo... ich will dir ja nicht zu nahe treten oder so, aber... du siehst aus, als wenn man dir Geldprobleme bisher immer abgenommen hätte. Meinst du, dass du genug Geld für den Anfang hast?“
Mamma mia, das war mal ein starkes Stück! Der laberte ja genau dasselbe wie damals! Ob er wohl jedem Fahrgast dasselbe erzählte? „Na klar.“, erwiderte ich amüsiert. Ich fragte mich allerdings immernoch, wie um alles in der Welt ich in das Taxi gekommen war.
„JARRHARRHARRHARRHARRHARRHARRHARRHARRHARRHARR! Was ihr Bengels immer so im Kopf habt... Oh, was sieht mein entzündetes Holzauge?! Land in Sicht, Island, ho! Wir können andocken! Und sieh mal, sogar der verfluchte Regen hört langsam auf.“
Ich drückte meine Nase an der Fensterscheibe platt und versuchte, durch den strömenden Regen etwas zu erkennen. Erst sah ich nur verschwommene Konturen kleiner Häuser mit Dächern in allen Regenbogenfarben, die wie der Himmel einen Grauschleier hatten. Doch nach und nach verzogen sich einige Regenwolken, ein paar schüchterne Sonnenstrahlen krochen zögerlich durch die Wolkendecke und ich konnte jetzt den Rathausplatz sehen, auf dem das Taxi hielt. Ich war wieder in Island! Ja, es war unmöglich – aber ich war wieder hier! Ich hoffte nur, dass dies auch für Vanessa galt.
Schnell stieß ich die leicht verbeulte Tür auf, sprang heraus, merkte, dass ich noch angegurtet war, löste den Gurt, schlug die Tür wieder zu und lief schnurstracks in Richtung unseres Hauses. Ich hatte echt kein Plan, was hier gespielt wurde, aber solange ich das Haus fand und Vanessa dort war und alles genauso geblieben war wie vor dem Beben, spielte das auch erstmal keine Rolle.
Doch ich war wohl so durch den Wind, dass ich zu doof war, unser Zuhause zu finden. Wütend auf mich selbst ich schließlich zähneknirschend ins Rathaus zurück, wo mich Pelly mal wieder wie einem Neuankömmling begrüßte, kaum, dass ich die schwere Tür hinter mir zugezogen hatte: „Hier ist das Bürgerbüro von Island. Wie kann ich helfen?“
Mamma mia, erinnerte sie sich etwa nicht mehr an mich? „Bin hergezogen...“, sagte ich kurzum. Was sollte ich auch sonst sagen? Etwa: „Ich bin bei einem Erdbeben in ein Loch gefallen und müsste eigentlich krepiert sein, aber stattdessen saß ich in einem Taxi und bin wieder hierher gefahren“?
„Ach, dann musst du also Manfredo sein. Ich bin Pelly, die Rathausangestellte.“(Na so was, das war mir ja ganz neu!) „Tom Nook hat mir schon von dir erzählt. Mmmh... aha, du teilst dir also dein Haus mit Lucy.“
Lucy? Wer war das denn? Und was war mit Vanessa? „Ich zeige dir mal hier auf der Karte, wo das Haus ist.“, fuhr Pelly fort und kramte einen Stadtplan aus einer Schublade, bevor ich meiner Verwirrung Luft machen konnte. „Es liegt genau... hier!“
Ich dachte doch echt, ich fress'n Besen, als ich die Karte sah. Was war denn das um Himmels Willen für eine Stadt?! Auf jeden Fall war es nicht Island! Doch warum stand dann oben auf der Karte groß Island geschrieben? Und wieso saß Pelly hier?
„Danke, Pelly. Ich geh dann mal...“, murmelte ich verwirrt. Vielleicht wurde alles um so schneller wieder gut, wenn ich dasselbe sagte wie letztes Mal und alle Seltsamkeiten ignorierte.
„Ja, richte es dir schon mal gemütlich ein. Und komm gerne wieder, wenn du Hilfe brauchst.“, lächelte Pelly und watschelte zu einem Aktenstapel an der Seite des Tisches. Ich floh nach draußen.
Im Eiltempo rannte ich bis zum Haus. Das nasse Gras peitschte mir gegen die Beine und durchweichte meine Chucks. Ich stolperte über Steine und stieß mir die großen Zehen daran. Als ich ankam, hatte ich außerdem so schreckliche Seitenstiche, als wenn mir bei jedem Schritt ein Messer zwischen die Rippen gestoßen wurde.
Aber das, was ich dann sah, war schlimmer als die Seitenstiche und meine schmerzenden Zehen zusammen: Eine entsetzlich mickrige Bruchbude mit schiefem Schornstein und einem verwilderten Garten davor schien mich schon schadenfroh zu erwarten. Es hatte noch nicht mal ein buntes Dach wie die anderen Häuser, sondern graue Schiefernplatten, weshalb es noch mehr wie ein Hexenhäuschen wirkte. Das Quietschen des Gartentors, von dem schon die hellbraune Farbe abblätterte, klang so, als wenn es mich auslachte. Hirnlose Tür!
„Sei du mal leise, oder kannst du mir sagen, was hier los ist, he?“, schimpfte ich und trat mit dem Fuß dagegen, wodurch mein Zorn und der Schmerz in meinem Zeh aber nur noch mehr anschwollen. „Willste Stress? Ja? Dann komm her! Du hast ja keine Ahnung, was hier abgeht, du Gartentür!“
Die Tür kicherte nur. Rauchend vor Wut marschierte ich ins Haus.
„Oh... äh, hallo, wer bist du denn?“, entfuhr es mir überrascht, als ich die Tür hinter mir zugeknallt hatte und sah, dass da ein Mädel am Esstisch saß.
Sie hatte beim Rummsen der Tür noch nicht einmal mit der Wimper gezuckt und schaute betont gelangweilt von ihrem Buch auf. „Das sollte ich wohl eher dich fragen“, erwiderte sie, die schmalen braunen Augenbrauen hochziehend.
„Ich hab dich zuerst gefragt“, beharrte ich. Die Situation war mir sehr unangenehm, was meine Unfreundlichkeit jedoch nur noch verstärkte. „Außerdem ist das hier mein Haus!“
„Dein Haus?! Na, wie du meinst. Aber wenn du hier unbedingt wohnen willst, wovor mich Pelly schon gewarnt hat, bezieh doch einfach das rote Bett oben.“
Damit war die Sache wohl für sie erledigt und sie beugte sich wieder so tief über ihr Buch, dass ihre dünnen braunen Haare wie ein Staubwedel über das Papier fusselten. Hübsch war das Mädel ja nicht gerade. Und ich wusste immernoch nicht, wie sie hieß.
Ich hatte schon den Mund geöffnet, um sie nochmal danach zu fragen, als ich es mir anders überlegte. Diese einfaltspinselige Leseratte ging mir doch sonstwo vorbei! Sollte die doch in ihrer Bruchbude versauern!
Mit einem verächtlichen Schnauben machte ich auf dem Absatz kehrt, wobei es quietschte, weil meine Gummischuhsohle noch nass war, und stapfte mit geballten Fäusten hinaus. Ich hatte keinen Plan, was ich jetzt tun sollte, diese ganze Sache war unerklärlich und nervte mich fürchterlich.
Ach ja, hatte Pelly nicht gesagt, dass ich mir das Haus mit einer gewissen Lucy teilte? Vor lauter Wut und unbeantworteter Fragen fiel es mir erst jetztwieder ein. Na schön, dachte ich mit grimmigem Vergnügen, ich weiß immerhin, wie sie heißt, sie kennt meinen Namen aber nicht. In der Sache bin ich ihr also schon mal meilenweit voraus.
„Hey du! Ja du!“, rief ein hohes, leicht nasales Stimmchen. Ich wandte mich genervt um und erblickte zu meinem Entsetzen Tom Nook. Der hatte mir gerade noch gefehlt!
„Du musst Manfredo sein.“, stellte er neunmalklug fest, als er mich erreicht hatte. Er keuchte leicht, als wenn er kilometerweit gerannt wäre. „Ich bin Tom Nook, ich besitze das einzige Geschäft hier in Island. Außerdem bin ich noch im Baugewerbe tätig: ich erstelle Häuser und baue sie um.“
„Is mir klar, Alter! Das hast du mir alles schon mal runtergebetet.“, warf ich hitzig ein. Ich war mit meinen Nerven langsam am Ende. Der Nook warf mir einen vorwurfsvollen Blick über den Rand seiner Lesebrille zu, die schief auf der langen, spitzen Nase saß. Anscheinend war er es nicht gewohnt, von einem Neuankömmling (welcher ich verdammt nochmal nicht war!) unterbrochen zu werden. Als hätte es gar keine Unterbrechung seines Vortrags gegeben, fuhr er fort: „Das Problem ist, dass von diesem Haus der Kredit noch nicht bezahlt wurde... ich weiß, du bist nicht derjenige, der es gebaut hat, aber wenn du darin leben willst, musst du ihn abbezahlen. Im Moment betragen deine Schulden noch 83000 Sternis.“
„Im Ernst?“, fragte ich ironisch. Für wie blöd hielt der mich eigentlich?
„Oh, keine Panik, nur keine Panik!“, lachte der Nook, als hätte er den sarkastischen Unterton gar nicht bemerkt. „Ich würde doch nie verlangen, dass du es mit einem Mal abbezahlst. Zahle deine Schulden einfach Stück für Stück ab. Alle Stadtbewohner von Island haben gesammelt, um dir unter die Arme zu greifen. Außerdem teilst du dir den Kredit ja mit Lucy. Hey, wie wäre es, wenn du in meinem Laden einen Teilzeitjob annehmen würdest? Damit könntest du dir ein paar Sternis dazuverdienen. Oh ja, eine sehr gute Idee, es ist abgemacht -“
„Gar nix ist abgemacht, ey!“, rief ich, während der Zorn wieder in mir hochkochte wie Linsensuppe in einem Schnellkochtopf. Erst das Erdbeben, dann Lucy und jetzt auch noch das! „Denkst du, du kannst mir vorschreiben, was ich zu tun habe? Glaubst du wirklich, du kannst das wieder mit mir machen, Alter? Du meinst wohl, du bist hier der Chef, und wenn wir nicht nach deiner Pfeife tanzen, verkaufst du uns nichts! Denkst du, damit kannst du mich nochmal zu deiner Sklavenarbeit zwingen, he?“ Mit jedem Satz wurde ich lauter, während der Nook mich fassungslos anstarrte, immer mehr zusammenschrumpfte und erfolglos versuchte, unsichtbar zu werden. Ich stauchte ihn weiter zusammen: „Tja, schöne Idee, aber da fall ich nicht nochmal drauf rein! Hältst du mich für blöd? Ich kann mich zufälligerweise noch an dich erinnern und an deinen mickrigen Laden! Du hast wohl bereits verdrängt, wie ich für dich arbeiten musste, was?! Du hast einfach dagesessen und zugeschaut, wie ich für dich Blumen eingepflanzt hab! Warst dir wohl zu fein dazu, was? Nicht nochmal! Nicht mit mir, Tom Nook! Such dir doch jemand Anderes für die Drecksarbeit! Und glaub ja nicht, dass ich auch nur einen Sterni von diesem Kredit abbezahlen werde!“ Ich machte eine abfällige Handbewegung in Richtung Haus. „Von mir aus kannst du diese Bruchbude gleich wieder einreißen, klar? ICH - BRAUCHE – DEINE – HILFE – NICHT! Und jetzt verschwinde! Wir haben uns nix mehr zu sagen, Mann!“
Beschwichtigend hob der Nook die kleinen Hände. „Hey... hey, reg dich mal ab... so war das doch nicht gemeint... Ich wollte doch nicht... Ich hab doch nicht gesagt... Denkst du wirklich, dass ich so...“ Unter meinem bösen Blick zog er noch weiter den Kopf zwischen seine Speckfalten und schien nur noch aus Augen zu bestehen. „Junge, Junge, ich bin ja schon weg... was hab ich denn falsch gemacht... war doch nur ein Vorschlag...“ Weiter vor sich hin murmelnd und mit eingezogenem Kopf wie eine Schildkröte tippelte der dicke Ladenbesitzer von dannen. Ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen, es sah einfach zu drollig aus. Meine Wut verrauchte langsam und ich fühlte mich besser. Die Suppe war fertig und der Überdruck entwich.
Ob er mich jetzt wirklich nichts mehr einkaufen ließ?
Ach, dachte ich, sowas traut der sich doch gar nicht! Und wenn er frech wurde, würde er mich eben RICHTIG kennenlernen. Oh ja, ich konnte noch viel, viel fieser sein! Dagegen war dieser Wutausbruch ein Lobgesang!
Wie auch immer, ich wollte jetzt erstmal einen leckeren isländischen Apfel essen. Die Apfelbäume waren wenigstens normal geblieben. Uno Momento - da hingen ja gar keine Äpfel dran! Das waren Orangen! Wieso um alles in der Welt war mir das noch nicht aufgefallen? Orangen. Ausgerechnet! Ich meine, von Äpfeln konnte man zur Not eine Zeit leben, wenn man so hart im Nehmen war wie ich. Aber von ORANGEN? Ich drehte mich wie ein Kreisel, doch nirgendwo war ein einziger Apfelbaum aufzutreiben.
Ach, egal, dann holte ich mir eben etwas aus dem Kühlschrank! Und danach würde ich Vanessa suchen!
Schnurstracks marschierte ich wieder ins Haus. Diese dumme Lucy war immernoch am Lesen. Seit ich abgedampft war, schien sie sich um keinen Zentimeter bewegt zu haben, höchstens dazu, um die Seiten umzublättern. Noch immer saß sie vornübergebeugt am Küchentisch, das rechte über das linke Bein geschlagen und mit den Haarfusseln auf dem Papier. Ich sehnte mich so nach Vanessa!
Rechts neben der Holzbank, auf der Lucy saß, stand der Kühlschrank. Na bitte! Sowas gab es also doch noch! Ich hatte schon fast befürchtet, auf dem Mond gelandet zu sein.
Ich öffnete ihn und lugte hinein. Als ich den Inhalt sah, runzelte ich jedoch so verwundert die Stirn, dass meine Augenbrauen förmlich unter meiner Bürzelfrisur verschwanden. Was um Himmels willen war denn Tofu? Oder Sojamilch – klang ja wie Viehfutter! Bionade, hä? Hatte die keine vernünftige Cola? Grüner Monsterschleim? Ach nein, Gemüseaufstrich - ok, ich konnte mir denken, was das war, aber wer aß denn sowas ABARTIGES?! Glutenfreies Biobrot - Mamma mia, noch nicht mal Vanessa hatte so übertrieben!
„Suchst du was Bestimmtes?“, kam Lucy's hochnäsige Stimme von der anderen Seite der Kühlschranktür hervor. Sie hatte sich nicht einmal die Mühe gemacht, aufzustehen.
„Ja, etwas Essbares.“, erwiderte ich eiskalt und schlug die Tür zu. Ich spürte Lucy's durchdringenden Blick, der sich mir in den Rücken bohrte, als ich, ohne sie nochmal anzusehen, erneut das Haus verließ. Ich beschloss, es nicht wieder zu betreten, bevor die Biotussi schlafen gegangen war.
Mein Magen beschwerte sich inzwischen stärker, doch ich ignorierte den Quälgeist. Wie gern hätte ich Vanessa angerufen, sie gefragt, wo sie sich herumtrieb und ihr mein Leid geklagt, doch mein Handy war mir wohl beim Sturz aus der Hosentasche gefallen.
Mir blieb also nichts anderes übrig, als sie suchen zu gehen und mich bei den Stadtbewohnern nach ihr zu erkundigen. Also machte ich mich auf den Weg.

Als es bereits dämmerte, kannte ich jeden Grashalm Islands persönlich, hatte die anderen Bürger in der Gegend kennengelernt, ich hatte selbst die Stadt verlassen und außerhalb nach ihr gesucht, doch keine Spur von Vanessa.
Müde, hungrig und entmutigt fand ich mich schließlich am Schwarzen Brett wieder, wo ich begann, die Anschläge durchzulesen. Natürlich war es sehr unwahrscheinlich, dass Vanessa oder jemand, der sie gesehen hatte, hier eine Nachricht hinterlassen hatte, doch in meiner Verzweiflung wollte ich mir nicht die kleinste Möglichkeit eines Hinweises entgehen lassen. Am Schwarzen Brett stand:


09/06/09
-Selbstgespräche-
Wenn ich meine Schwester mit Peter zusammen sehe, fühle ich mich komisch...
Muss wohl das Essen sein.

Das war sicher von Pelly. Es wurde ja gemunkelt, dass sie in Peter den Postboten verknallt war, genauso wie ihre Schwester. Aber mich interessierte im Moment eher meine Geliebte!

11/06/09
-Selbstgespräche-
Wie kann Salsa ein Tanz, eine Musikrichtung UND ein Dip sein?
Wunderbare Welt!

Na, wenn das nicht von Keks geschrieben wurde!
Keks war so ein komischer verfressener Typ, keine Ahnung, wie er in echt hieß, er meinte, ich solle ihn einfach so nennen. Während unseres kurzen Gesprächs hatte ich nicht mal sein Gesicht richtig sehen können, weil er es in einem Krapfen vergraben hatte...
Bei dem Gedanken rumorte mein Bauch heftig. Schnell las ich weiter:

12/06/09
*Nachricht der Woche*
Wahre Liebe hält ewig.
Die gute Art von ewig.

Och manno, was sollte das denn? Als wenn ich mich dadurch jetzt besser fühlte!
Aber vielleicht war es eine geheime Botschaft von Vanessa, dass sie bald kam und ich sie nicht vergessen sollte?
Ach Quatsch, dachte ich im nächsten Moment, erstens käme Vanessa gar nicht auf die Idee, dass ich sie vergessen könnte, und zweitens würde sie niemals so komisch verschlüsselt schreiben. Außerdem war heute gerade erst der 20. Juni, falls sich das Datum nicht auch unerklärlicherweise geändert hatte.

13/06/09
**Endergebnis**
Regina hat das Blumenfest überragend gewonnen! Hurra!
Was für eine Leistung!

Blumenfest?! Wie uncool. Aber es erinnerte mich schon wieder an Vanessa...



15/06/09
*Nachricht der Woche*
Blut, Schweiß und Tränen zu vergießen ist nicht so leicht, wie es aussieht.
Und es sieht schwer aus!

Ach ja? Also, wenn das so weiterging, vergoss ICH hier gleich Tränen!

16/06/09
Aufzugeben erfordert Stärke.
Ich bin der Stärkste!

Na, wenn Keks das meinte... (von wem sollte es schließlich sonst stammen?)
Aber ich gab nicht auf!

17/06/09
Hinweis -
Das Angelturnier beginnt am kommenden Samstag!
Zieht ihr den Großen an Land?!?

Samstag? Das war ja heute! Ach, deshalb hatte Bertram, dieser Depp mit der Mädchenfrisur, fast angefangen zu heulen, als ich einen Fisch verjagt hatte!

18/06/09
-Selbstgespräche-
Meine Schwester hat früher Flugzeuge geliebt.
Sie lief immer mit ausgestreckten Armen herum.

Oh, das erinnerte mich an meine Kindheit...
Aber war es wichtig, um Vanessa zu finden?
Eindeutig nein.

19/06/09
Hinweis-
Das Angelturnier findet morgen von 12:00 bis 18:00 Uhr statt. Geht früh ins Bett, um euch für den großen Tag zu wappnen!

Ich schaute unwillkürlich auf die Uhr. 19:43 Uhr. Na toll, das hatte ich also auch noch verpasst.
Na toll, jetzt hatte ich alle Nachrichten studiert und immernoch keine Spur von Vanessa! Ich seufzte unwillkürlich, schnappte mir den Kuli, der am Schwarzen Brett hing, und kritzelte damit meinen Hilferuf:


20/06/09
SOS!!!!!!!
Hilfe, was ist passiert???
Die Stadt ist ganz anders als früher, die ganzen Bewohner sind weg, der Nook kennt mich nicht mehr, unsere Hütte ist viel zu klein und wo ist Vanessa??
Süße, ich vermisse dich!!!! <3
-Manfredo

Keine Vanessa, nichts zu essen und kein Angelturnier - womit hatte ich das verdient? Vielleicht war das alles ja nur ein Albtraum und ich wachte gleich auf und sah Vanessa seelenruhig in ihrem Himmelbettchen schlafen. Aber dann war dies der reellste Traum, den ich je hatte.
Ich beschloss, einfach schlafen zu gehen und wenn ich morgen aufstand, war die Welt bestimmt wieder in Ordnung. Zumindest versuchte ich, mir selbst einzureden, das zu glauben.
Aber vorher musste ich unbedingt etwas zu essen auftreiben, sonst kippte ich noch um! Keks hatte doch sicherlich etwas für mich übrig. Ich ging zu seinem Haus, welches fast genauso mickrig war wie unseres, und klopfte an. Erst jetzt sah ich das Schild, das an der Haustür hing:

Ich schlafe gerade.
Weck mich, und du bereust es!

Als ich gerade überlegte, ob es sinnvoller wäre, wie ein Feigling wegzulaufen oder eine Krapfen-Bombardierung zu riskieren, weil ich seinen (erfolglosen) Schönheitsschlaf störte, riss Keks die Tür auf. Er trug einen verbeulten, abgewetzten blauen Schlafanzug mit Bonbon-Motiven, der ihm viel zu groß war und voller Krümel. In der einen Hand hielt er eine riesige Kekstüte, von deren Inhalt er bereits mindestens die Hälfte im Mund hatte.
„Waff willpfd bu benn, Banpfrebo?“, erkundigte er sich aufgebracht und ein paar Keksstücke fielen ihm aus dem Mund.
„Ach, ich wollte nur mal fragen, ob ich dir beim Futtern helfen könnte.“, erklärte ich beiläufig. „Ich meine, geteilte Freude ist doch bekanntlich doppelte Freude, und -“
„Eff ifd garandierd geine Freude benn bu bich bidden in ber Bachd auf dem Bedd fmeifd!“
„Kumpel, ab einem Kilo wird’s undeutlich“, grinste ich, weil ich kein Wort verstanden hatte. Keks schluckte die Keksladung herunter und brüllte: „Ich sagte, dass es garantiert keine Freude ist, wenn du mich mitten in der Nacht aus dem Bett schmeißt!“
„Komm schon, Alter, sei doch kein Frosch! Es hat schließlich auch einen Vorteil für dich, Kumpel, wenn ich dir was abnehme: du wirst nicht mehr dick!“
Das war wohl genau das Falsche, was ich sagen konnte. Keks quollen vor Zorn die Augen aus dem Kopf, er lief so rot an, dass ich glaubte, im nächsten Moment Rauchwölkchen aus seinen Ohren kommen zu sehen. Er trampelte wie ein kleines Kind auf den Boden, schüttelte wütend die Kekstüte in meine Richtung, sodass fast alles herausfiel, und zeterte: „WILLST DU DAMIT SAGEN, DASS ICH DICK BIN? DU KOMMST MITTEN IN DER NACHT ZU MIR SPAZIERT, UM MICH ALS FROSCH ZU BELEIDIGEN UND MIR ZU SAGEN, DASS ICH DICK BIN?! ALSO, WENN DU GLAUBST, DASS ICH DIR JETZT ETWAS ABGEBE, DANN HAST DU DICH ABER GESCHNITTEN! KAUF DIR DOCH SELBST DEIN FRESSEN! UND JETZT LASS MICH SCHLAFEN! ICH MUSS MORGEN FRÜH AUFSTEHEN, SONST VERPASS ICH MEIN FRÜHSTÜCK, KLAR?!“
„Ach ja, ganz vergessen. Das wäre natürlich ein Weltuntergang.“, erwiderte ich sarkastisch. Wenn der mich so anmachte, wollte ich auch nicht weiter den Gute-Laune-Freak raushängen lassen. „Übrigens ist es nicht mitten in der Nacht. Es ist Abend, Mann.“
Als er gerade wieder Luft holte, um erneut loszulegen, kam ich ihm schnell zuvor: „Aber egal, behalt doch deine Kekse, du Keks. Ich bin ja schon weg.“
Nicht, dass ich Angst vor seinem Wutausbruch gehabt hätte, ein schreiender Keks amüsierte mich eher. Doch mir gefiel es nicht besonders, noch weiter von ihm mit Krümeln bespuckt zu werden beim Schreien.

Als ich im Bett lag, konnte ich nicht schlafen. Mein Bett war viel zu unbequem. Ich hätte natürlich in dem pinken Bett im Herzchenzimmer schlafen können, das komischerweise noch existierte. Lucy hatte mir kurzangebunden erklärt, dass das Haus mit Möbeln vollgestopft gewesen war, als sie eingezogen war, und sie alle bis auf das Herzchenset verkauft hatte. Sie hatte das Zimmer wohl bisher nicht gebraucht und war zu faul dazu gewesen, es zu entrümpeln. Typisch faule Tusse. Ich wusste nicht, ob ich ihr dankbar dafür sein sollte, denn einerseits war die Erinnerung an Vanessas und meine Zeit in „unserer Kuschelhöhle“ natürlich positiv, doch gleichzeitig bekam ich dadurch nur solche Sehnsucht nach ihr. Im Herzchenzimmer hätte ich deshalb wahrscheinlich die ganze Nacht kein Auge zugetan.
Doch auch jetzt konnte ich die ganze Zeit nur an meine Süße denken. Außerdem war es viel zu warm und stickig und ich hatte immernoch Hunger. Vor dem Einschlafen hatte ich noch eine Bionade getrunken, das schmeckte gar nicht so schlecht. Aber natürlich würde ich das vor Lucy niemals zugeben.
Vielleicht sollte ich doch etwas von dem Biozeug essen? War doch immerhin besser, als zu verhungern. Und als harter Kerl muss man sowas eben aushalten!
Ich stand auf, schlich im Dunkeln die Treppe hinunter, wobei ich mich am Geländer entlangtastete (es hätte doppelt so lange gedauert, bis ich den Lichtschalter gefunden hätte) und öffnete den Kühlschrank. Sofort sprang das Licht darin an. Ich musste erst die Augen zusammen kneifen, weil es so hell war. Dann loste ich mittels Ene-mene-miste aus, was ich nun essen sollte. Die Wahl fiel auf den grünen Monsterschleim.
Ausgerechnet.
Tja, aber so hatte das Schicksal nun einmal entschieden, wie Ramo sagen würden. Seufzend nahm ich das Glas heraus, betrachtete es angeekelt und stellte es auf den Tisch. Jetzt noch ein Brett und ein Messer dazu... okay. Bereit.
Ach nein, Brot fehlte noch.
Moment mal, hieß das etwa, dass ich dieses komische Glutenfreie Biobrot essen musste?!
Auch das noch.
Na gut, wenn schon schlimm, dann richtig schlimm!
Ich bestrich mir also das seltsame Brot mit dem grünen Gemüsezeug. Naja, roch immerhin ganz annehmbar.
Jetzt die große Mutprobe. Ich kniff fest die Augen zu und biss ein Stück ab.
Mampf, mampf...
Nanu, das schmeckte ja gar nicht so schlimm!
Erstaunt betrachtete ich den Monsterschleim. Dass ich sowas je lecker finden konnte... war ich vielleicht irgendwie krank? Oder gehörte das zu meinem Albtraum, Monsterschleim lecker zu finden?
Egal.
Ich biss nochmal ab. Was auch immer der Grund für meine Geschmacksverirrung war, wenigstens musste ich nicht mehr verhungern.
Und Vanessa wäre bestimmt stolz auf mich, dass ich so einen Biofraß probierte, dachte ich einigermaßen zufrieden, während ich mir das restliche Brot in den Mund stopfte.
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BeitragThema: Re: Manfredo's Tagebuch: 17. Kapitel   Manfredo's Tagebuch: 17. Kapitel EmptySo Apr 24, 2011 4:56 pm

hast du n Reset gemacht, oder wie?
Ich steig langsam nicht mehr durch. Ich meine, es könnte ja einfach ne andere Stadt sein, aber da würde es ja kein Herzchenzimmer geben *grübel*

Schreib weiter!
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